Wie peinlich ist es, wenn man Goya für einen spanischen Bestsellerautor der Gegenwart hält!? – Zehn Kunstwerke, die man kennen muss:
(Quellen der Bilder jeweils im Namen verlinkt)
Die Aufgabe, eine Liste von NUR 10 Kunstwerken zusammen zu stellen, die man kennen muss oder sollte, bei denen es zu Peinlichkeiten kommen könnte, wenn man sie nicht kennt oder erkennt, erschien mir lange als ein Ding der Unmöglichkeit.
Als Kunstliebhaberin und studierte Kunsthistorikerin, oder „Kunstnerd“ bzw. „Kunsthysterikerin“ wie mich Freunde unschmeichelhaft betiteln, habe ich die Zeit, die ich mir zum Schreiben des Artikels genommen habe, damit verbracht Listen zu erstellen, die immer länger wurden und kein Ende nehmen wollten. Mutig begann ich dann Kunstwerke wegzustreichen, wobei jedoch jede Restriktion mir beinahe körperliche Schmerzen bereitete.
Schließlich habe ich mich dazu entschlossen, nochmals von vorne zu beginnen und quasi Epochenweise vorzugehen. Hier ist nun – die leider viel zu kurze – Liste, die dabei herausgekommen ist:
Vasari beginnt seine Künstlergeschichte mit Giotto. Wer damit punkten kann, dass es sich bei Giotto nicht um eine italienische Gebäckkugel handelt, sondern um den Künstler, der im Trecento Individualismus, Gefühlsregungen, Körperlichkeit und räumliche Darstellung in die Malerei einführte, außerdem die Freskotechnik wieder belebte, kommt garantiert nicht in Verlegenheit.
Punkten und seine Gesprächspartner beeindrucken kann man außerdem mit dem Wissen, dass seine Bilder zur Entstehungszeit so tief berührten, dass der Papst für die Betrachtung der Fresken in der Arenakapelle in Padua einen Ablass aussprach.
Ich wusste es schon immer: Kunst ist gut für das Seelenheil!
Noch immer gilt Botticellis Venus als Prototyp der weiblichen Schönheit. Die erste monumentale Aktdarstellung der italienischen Renaissance versuchte ein verlorenes antikes Gemälde: die Venus von Apelles, zu rekonstruieren, das nur aus Beschreibungen bekannt ist. Dass das Gemälde die gesamte Geschichte der Kunst über bis in die Moderne ikonische Bedeutung hatte, belegt eine erst kürzlich in Berlin und London gezeigte Ausstellung: „The Botticelli Renaissance“.
Nicht umsonst kann an schlechten Tagen die Wartezeit vor den Uffizien in Florenz, wo das Bild im Original ausgestellt ist, bis zu sechs Stunden betragen.
Michelangelos zentrales Bild im Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle ist inzwischen in die Popkultur eingegangen. Dies liegt nicht nur am lasziv und lässig hingelagerten Adam, dem die Gottesfigur kraftvoll schwebend gegenüber gestellt ist. Der Lebensfunke springt über die Spannung der beiden sich fast berührenden Zeigefinger über.
Die Vitalität der Figuren, die spannungsvolle Komposition sowie die massige Körperlichkeit beeindrucken auch heute noch den Betrachter und haben das Bild zur ikonischen Darstellung und Sinnbild der Hochrenaissance werden lassen. Aktuelle Forschungsmeinungen, die behaupten in der Gottesgestalt mit den umgebenden Figuren sei ein Querschnitt durch das menschliche Gehirn dargestellt, sind wohl etwas weit hergeholt, belegen jedoch die noch heute bestehende Anziehung, die vom Bild ausgeht.
Das scheinwerferartige Streiflicht, der frappierende Realismus in der Figurenauffassung und der voyeuristische Blick auf die Grausamkeit der Enthauptungsszene fesseln auch noch den heutigen Betrachter. Caravaggios Bilder sind ebenso spektakulär wie seine Lebensgeschichte, die von Misshandlung, Mord und Flucht erzählt. Dass Reiseführer im 18. Jahrhundert vor allem junge Mädchen vor dem Kunstgenuss warnten, da man eine negative Beeinflussung des Moralempfindens fürchtete, spricht für sich. Noch heute haben die Bilder nichts von ihrer Wirkungskraft verloren und beeinflussen vor allem Literaten und Romanschreiber.
Fleischlichkeit, Vitalität, vibrierendes Inkarnat, brillante Oberflächengestaltung sowie Dynamik und Überfülle überfordern selbst den heutigen Betrachter. Doch eine eingehende Betrachtung seiner Werke lohnt sich, das Hineinsehen in die opulente Bildwelt eröffnet Kunstgenuss und darüber hinaus tiefergehende Bedeutungsebenen.
Wer sich mit dem Entstehungsprozess und der Organisation der Rubens-Werkstätte beschäftigt, ist verblüfft wie rationalisiert Arbeitsteilung und Produktion von statten gingen.
Uferlosigkeit, kosmisches Ausgreifen und die Einsamkeit des Individuums im Angesicht der Unendlichkeit prägen das Bild, das zu einer der Inkunabeln der Moderne geworden ist. „Es ist als seien einem die Augenlieder abgeschnitten“ resümierte Heinrich von Kleist im Angesicht des Bildes.
Neben den feinen Farbabstufungen, bei denen sich die Farbe wie ein Schleier auf die Leinwand legt, verblüfft das Bild mit einer Gefühlstiefe, die den Betrachter konfrontiert mit den Möglichkeiten grenzenloser Freiheit auf der einen und der Empfindung von Verlorenheit im Angesicht der Unendlichkeit auf der anderen Seite.
Bouguereaus Gemälde zeigen den Höhepunkt der Malereientwicklung seit Giotto: Körperlichkeit, Oberflächenbeschaffenheit, Ausgewogenheit der Komposition sind zur Meisterschaft geführt und bilden eine Synergie der großen Meister seit der frühen Neuzeit. Die Verbindung aus naturalistischer Beobachtung mit klassischer Schönheit und Idealität verleihen den Gemälden eine Glätte und Perfektion, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Alles Grobschlächtige ist verbannt und eine ideale Traumwelt eröffnet sich. Dass dieses „Zuviel“ an Schönheit von manchen Betrachtern als irritierend oder gar unerträglich wahrgenommen wird ist ebenso nachvollziehbar wie die Begeisterung für den großen Meister der Salonmalerei. Letztendlich ist Kunst manchmal doch einfach eine Frage des Geschmacks.
Wie keck und herausfordernd die hingelagerte Aktfigur den Betrachter anblickt, lässt noch heute erahnen warum diese Direktheit als Affront wahrgenommen wurde und zu einem Skandal führte. Hinzu kommt, dass es sich bei der Schönen um eine stadtbekannte Prostituierte handelte, die hier in der Pose der liegenden Venus schlüpft.
Auch die rasche, scheinbar hingeworfene Malweise mit sichtbarem Pinselstrich und flacher, wie überbelichtet wirkender Körperlichkeit stellte für den damaligen Kunstbetrachter eine Überforderung dar. Kein Wunder, dass das Kunstpublikum lieber in der Salonmalerei eines Bouguereaus schwelgte.
Van Goghs „Sternennacht“ zählt heute zu einem der meist reproduzierten und bekanntesten Bilder. Die Leuchtkraft der Farben, der Kontrast zwischen dem dunklen Violettblau und strahlenden Gelb üben eine hypnotische Kraft aus, die unterstrichen wird vom sichtbaren Duktus des Pinsels. Die Farbe ist zum Teil so dick aufgetragen, dass die Oberfläche zu vibrieren scheint und in Unruhe versetzt wird
Tatsächlich setzt der Gleichgewichtssinn aus und man hat das Empfinden die Umgebung scheint zu wanken und sich zu drehen, wenn man das Bild zu lang betrachtet hat.
Spinnwebartig legen sich Farbfäden übereinander und bilden so ein tiefes Geflecht, das eine räumliche Wirkung eröffnet und in seiner Gleichzeitigkeit von Fragilität und Zerbrechlichkeit sowie Eruption von Energie und Lebenskraft verblüfft. Die Ambivalenz dieser zwei Empfindungen bringt den Zeitgeist der Nachkriegszeit treffend zum Ausdruck, das Aufbrechen verkrusteter Schranken und Regeln der Malerei in Kombination mit einer tief empfundenen Verunsicherung und Emotionalität manifestiert sich hier.
Pollock ist somit zum Symbol der Freiheit geworden. Die malerische Qualität der getropften, geworfenen und geschleuderten Farbgespinste lässt den Blick in immer tiefere Schichten gleiten und verliert sich in der Abstraktion des Kunstwerks.
Katrin Knopp