Wenn man von einem geliebten Menschen verlassen wird oder die Beziehung nach Jahren zerbricht, fühlt es sich an, als würde die Welt zusammenstürzen und einem der Boden unter den Füßen weg gezogen. Alles was man tut, egal ob Zähne putzen, einkaufen, arbeiten, essen, mit Menschen reden, kommt einem plötzlich sinnlos vor. Tatsächlich hat man das Gefühl, dass die Welt sich weiter dreht und man selbst versteinert dabei zusieht.
Liebeskummer heißt die Diagnose, ein emotionaler Zustand, der eintritt, wenn eine Liebe unerfüllt bleibt oder zerbricht. Unzählige Lieder, Geschichten und Gemälde beschäftigen sich damit. Treffend, aber auch ein bisschen schnulzig, haben die Carpenter das Gefühl in ihrem Song End of the world eingefangen:
Why does the sun go on shining?
Why does the sea rush to shore?
Don’t they know it’s the end of the world
‘Cause you don’t love me anymore?
Jeder von uns macht in seinem Leben diese Emotion und den damit verbundenen Prozess durch. Allerdings ist es ein weit verbreitetes Märchen, dass der Kummer über die erste Liebe am schlimmsten ist und vor allem Teenager von Liebeskummer getroffen sind. Tatsächlich kann der Tod eines Partners oder auch Fremdgehen nach einer langen Beziehung eine solche Enttäuschung und einen solch tiefen Schmerz auslösen, dass es nicht damit getan ist, sich ein paar Tage im Bett auszuheulen und dabei kitschige Musik anzuhören.
Naomi Eisenberger hat herausgefunden, dass die neuronalen Muster im Gehirn bei sozialer Zurückweisung identisch sind mit körperlichem Schmerz. Und dies ist unabhängig von Alter und Geschlecht und kann nach einer langen und intensiven Partnerschaft sogar noch stärker ausfallen.
Der Prozess, die Trennung vom geliebten Menschen zu verarbeiten ist dann einem Trauerprozess ähnlich und durchläuft mehrere Phasen, die von Leugnung über aufbrechende Gefühle führen, um dann schließlich in einer Neuorientierung zu münden. In einigen Fällen jedoch scheint kein Weg aus dem Schmerz zu führen und Depression, manchmal sogar körperliche Krankheit sind die Folge.
Drohende Depression
Generell charakteristisch für Liebeskummer sind Schlaflosigkeit, innere Unruhe und Kreislaufprobleme. Folgen sind Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Leistungseinbrüche im Beruf. In extremen Fällen nehmen dann auch das Interesse an sozialer Interaktion und die Lebensfreude ab und es kann zu einer Störung des Konsumverhaltens kommen. Die Betroffenen versuchen durch übermäßigen Alkohol, Drogenkonsum emotionale Nöte zu kompensieren. Auch Essstörungen können die Folge sein. Insgesamt fühlt man sich von alltäglichen Anforderungen überlastet und zieht sich aus dem Leben zurück. In extremen Fällen ist Depression, manchmal auch Suizid die Folge.
Neurologisch sind die Symptome erklärbar: die Liebe zu einem Menschen aktiviert im Gehirn dieselben Areale wie eine Drogensucht, tatsächlich kommt es bei heftigem Streit oder einer Trennung zu vergleichbaren Entzugssymptomen, die sich sowohl seelisch, als auch körperlich manifestieren. Zu diesem hormonellen Ausnahmezustand tritt eine vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen. Wenn der Stress nicht nur kurz anhält, sondern Adrenalin und Cortisol über einen längeren Zeitraum ausgeschüttet werden, ist das für Körper und Psyche immens anstrengend und erklärt oben beschriebene Symptome.
Broken Heart Syndrome
Tatsächlich kann der Schmerz über die verlorene Liebe so stark sein dass körperliche darüber hinaus zusätzliche Krankheitssymptome auftreten, die einem Herzinfarkt gleichen und mit Atemnot, Herzschmerzen und Todesangst einhergehen. Dies nennt man in der Fachsprache Stress-Kardiomyopathie, oder auch einfacher: das „Broken Heart Syndrome“ oder zu Deutsch: das Gebrochene Herz Syndrom.
In den 90er Jahren wurde es als eigenständige Krankheit klassifiziert. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es nach einer traumatisch erlebten emotionalen Belastung zu einer extremen Ausschüttung von Stresshormonen und damit verbunden zu einer schwerwiegenden Störung des Herzmuskels kommt. Die Symptome sind wie gesagt denen eines Herzinfarktes ähnlich mit starken Brustschmerzen und Atemnot.
Entstehung und Entwicklung des Syndroms konnten noch nicht endgültig geklärt werden. Allerdings treten sie häufiger bei älteren Frauen auf nach akuten emotionalen Stresssituationen wie Trennung vom Partner, Tod des Partners oder einer nahestehenden Person oder nach einem Unfall.
Die Liebeskrankheit – morbus amatoris
Trotz der erst kürzlich geschehenen medizinischen Klassifizierung ist Beschreibung der Symptome bereits sehr alt. Sowohl in Kunst, als auch in der Literatur finden sich Darstellungen der Liebeskrankheit und in historischen medizinischen Traktaten ist von der Morbus Amatoris, der Liebeskrankheit die Rede.
Manche Darstellungen dieser Art, vor allem aus der holländischen Kunst des goldenen Zeitalters, sind durchaus humorvoller Natur. Während die Liebeskranke auf einem Stuhl zusammengesunken um Atem ringt, manchmal den verräterischen Brief noch in der Hand und Magd und Familienmitglieder sich betont besorgt gebärden, hält der Medicus mit nur schwach verhaltenem Lächeln die Hand der erkrankten in der Hand. Sein Schmunzeln verrät das Wissen um den Grund des Schwächeanfalls.
Doch es gibt auch eindrückliche und ernsthafte Darstellungen des Themas: in Tolstois Anna Karenina, verbringt die Protagonistin, nach dem Bruch mit ihrem Geliebten, Wochen im Bett. Von Schwäche und Schmerz dahin gerafft ist sie, wie der Arzt attestiert, dem Tode nahe. Rettung verspricht lediglich den Ehemann, die Familie zu verlassen, einen Bruch mit ihrer sozialen Stellung herbei zu führen, um mit ihrem Geliebten wieder vereint zu sein. Die Leidens- und Krankengeschichte wird auf psychologisierende und fast schmerzhaft sezierende Art beschrieben und das schmerzhafte Ringen um Atem, das Flimmern des Herzens sind den von Medizinern beschriebenen Symptomen des Broken Heart Syndrome vergleichbar.
Andere Liebende wie Dido oder Romeo und Julia legen selbst Hand an und sehen die Selbsttötung als einzigen Ausweg aus dem Dilemma.
Tipps gegen Liebeskummer
Doch was tun, wenn es einen richtig heftig erwischt hat und man selbst betroffen ist? Durch den Schmerz muss man durch, da hilft nichts, aber es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die Erleichterung verschaffen können und uns helfen. Am wichtigsten ist: die Trauer zulassen, nur dann kann man sie verarbeiten. Weinen und über die Gefühle reden verschafft Erleichterung.
Auch soziale Kontakte zu pflegen ist wichtig. Ist der Schmerz noch zu frisch tut es sicherlich erstmal ein Abend auf dem Sofa: mit den besten Freunden, einer (oder zwei) Jane Austen Verfilmungen, einem ordentlichen Horrorfilm, einer großen Packung Schokolade oder jeder Menge Taschentücher. Ansonsten gilt: nicht jede Party und jeden Event absagen. Auch wenn man sich gar nicht danach fühlt, wenigstens für ein Stündchen vorbei schauen, hilft schon. Auch wenn man sich nicht so geistreich wie sonst ins Gespräch bringt und einem vieles banal oder unwichtig vorkommt, hilft es raus zu kommen. Die Nähe von Menschen, die man mag, lindert tatsächlich den Schmerz, ebenso eine Umarmung und ein gemeinsames Lachen. Selbst wenn es nur für einen Moment ist.
Wichtig ist außerdem in Gedanken nicht am Geliebten fest zu hängen: alle Erinnerungsstücke erstmal in eine Kiste und auf den Dachboden verbannen, die Kontakte löschen und das Profil auf sozialen Netzwerken blockieren. Aus den Augen aus dem Sinn, gilt hier zwar nur bedingt, wenn man aber Dinge, die an den anderen erinnern ständig vor Augen hat und auf sozialen Netzwerken Mitteilungen und Statusmeldungen erhält, dann bricht die Stunde stets erneut auf und der Trauerprozess zieht sich unnötig in die Länge. Auch die Gefahr in eine Depression abzugleiten.
Und wenn die Erinnerungen in den eigenen vier Wänden einen doch zu überwältigen drohen, dann ist eine Auszeit, ein Kurztrip oder auch Ausmisten und Renovieren die beste Taktik.