Ein halbes Jahr ist schon vergangen, seit wir unsere Wahlzettel ausgefüllt haben. Sechs Monate ohne eine Regierung. So etwas ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie vorgekommen. Nun steht die Groko – aber zu welchem Preis?
Wer hätte damals im September 2017 wohl geahnt, dass sich die Parteien nach Monaten der Diskussionen zu genau der Koalitionen verbinden, die man eigentlich im vergangenen Jahr hatte abwählen wollen? Ich, als Politik-Laie, bekomme auch nur das mit, was ich abends in der Tagesschau zusehen bekomme. Und in den vergangenen Monaten hatte ich so das Gefühl, die deutsche Politik ähnelt einer dramatischen Seifenoper: Nach den Wahlen erstmals das große Jammern. Die Parteien der letzten Regierung – der Großen Koalition (Groko) zwischen SPD und CDU/CSU – mussten einen großen Stimmenverlust hinnehmen – das Vertrauen der Wähler spürbar angekratzt. Zwar waren CDU/CSU und SPD immer noch mit den meisten Stimmen dabei, aber gleich dahinter stieg eine weitere Parte aufs Treppchen. Die AfD ist im Aufschwung. Das war eine mehr als klare Aussage an die nun scheidende Regierung: neue Zeiten brechen an.
Wird es Schwarz-Gelb-Grün?
Natürlich wollte keine der anderen Parteien die AfD nicht mitregieren lassen. Aber wie sollte der Bundestag nun aussehen? Eine weitere Große Koalition zwischen SPD und CDU/CSU wurde abgelehnt. Die SPD leckte sich noch die Wunden der vergangenen Regierungszeit, und auch die CDU/CSU sah deutlich, wie unzufrieden die Bevölkerung mit der Groko war. Dann kam die Frage auf: Was nun? Welche Koalition bietet sich noch an? Man diskutierte und diskutierte und versammelte sich schließlich zur Besprechung einer möglichen Jamaika-Koalition, also der Zusammensetzung der Regierung aus CDU/CSU, den Grünen und der FDP. Vier Wochen lang schien es so, als käme die Sache nun endlich ins Rollen. Eine Regierungsbildung mit Schwarz-Grün-Gelb noch vor Ende des Jahres? Pustekuchen: Im November spring die FDP ab. Im Wahlkampf war die Partei noch mit den Model-Schnappschüssen ihres Partei-Chefs auf Stimmenfang gegangen, nun hieß es „lieber gar nicht regieren, als falsch zu regieren“. Ich persönlich dachte in dem Moment einfach nur, die FDP hat die Hosen voll. Nach Jahren ohne große Wählerbeliebtheit, hatte die Partei 2017 wieder mehr Erfolg bei der Bundestagswahl und plötzlich sahen sie sich mit einer großen Verantwortung konfrontiert… und stiegen aus. Natürlich konnten sie das nicht schon vor Beginn der Verhandlungen kundtun, nein, sie müssen den Moment abwarten, wenn die Bevölkerung eigentlich schon mit einer funktionierenden Regierung rechnet.
Alles auf Anfang
Nun stand wieder alles auf null. Wie geht es weiter? Neuwahlen? Eine andere Koalition? Wie kann sich die zusammensetzen? Die SPD hatte eine weitere Gro-Ko schon nach den Wahlen strikt abgelehnt, doch das Jahr 2107 neigte sich dem Ende zu und der deutsche Staat lief immer noch auf Reservetank der alten Regierung. Die Stimmung in der Bevölkerung: genervt. Das Wort des Jahres wird „Jamaika-Aus“. Und auch hier ähnelte die Politik einer Seifenoper: Nach dem plötzlichen und dramatischen Ausstieg der FDP musste man nun höchste feinsinnig an die SPD herantreten. Die meisten Mitglieder waren gegen eine Zusammenarbeit mit der CDU/CSU – man hatte aus vergangen Fehlern gelernt, ein weiterer Versuch, die Beziehung zwischen den Parteien zu retten war für viele ein Ding der Unmöglichkeit. 2018 startete als das Jahr der Besprechungen. In vielen Punkten waren sich die Parteien uneins. Die Möglichkeit von Neuwahlen hing noch lange in der Schwebe. Aber wollte man dem Volk nochmals Wochen, wenn nicht sogar Monate langen Wahlkampf zumuten? Die Bevölkerung wurde zunehmend ungeduldig. Nach langem hin und her wurde dann doch die Möglichkeit einer Großen Koalition in Betracht gezogen – von SPD und CDU/CSU. Vor allem die Jusos – die Jungsozialisten der SPD – konnten sich nicht mit der Idee der Groko anfreunden. Innerhalb der Partei wurde es ebenso ungemütlich. Erst noch als Retter der SPD in den Himmel gelobt und als möglichen Kanzlerkandidaten beziffert, war Martin Schulz von seinem Amt als Parteivorsitzender zurückgetreten, nachdem er während der stürmischen Zeiten der möglichen Groko-Verhandlungsgespräche immer mehr in die Kritik geraten war. Und das, nachdem er noch vergangenes Jahr mit 100% der Stimmen an eben dieses Amt geraten war. So schnell kanns eben geh’n.
Einigung in Sicht?
Und dann begannen die Verhandlungen. Die CDU/CSU war bereit Kompromisse einzugehen, war auch nicht mit Ablehnung an die Groko herangetreten, wie die SPD zu Beginn. Es zog sich über Wochen, Monate, doch schließlich hieß es: Es wäre möglich – aber die SPD-Mitglieder müssen mitziehen. Mittlerweile wäre wohl jeder mit allem zufrieden gewesen, Hauptsache das Land bekäme endlich eine funktionierende Regierung. Doch noch kurz vor Bekanntgabe der Ergebnisse des SPD-Mitgliedervotums bestand die Chance, dass die Groko bei der Mehrheit auf Ablehnung treffen könnte. Am Sonntag, 4. März am Vormittag dann die Erleichterung: keine Neuwahlen notwendig, die SPD ist dabei. Zwar sind die Jusos nicht happy, aber der Großteil der Bevölkerung hatte sich gegen Ende der Besprechungen schon wieder positiv zur möglichen Groko geäußert, so nach dem Motto „lieber Groko als gar keine Regierung“. Nun endlich wird Deutschland wieder regiert. Nun steht noch die Wahl des Kanzlers an, die bis jetzt warten musste. Ob Angie wiedergewählt wird? Möglich wäre es. Nach dem ganzen Hin und Her um die Groko ist die Diskussion um ein neues Gesicht auf dem Kanzlerposten etwas in den Hintergrund gerückt.
Schlussendlich lässt sich sagen, dass diese Bundestagswahlen viel Nerven gekostet haben. Die SPD liegt in den Umfragen der Wählerschaft mehr schlecht als recht da und auch sonst sind die meisten einfach nur froh, die ganzes Diskussionen endlich hinter sich gebracht zu haben. Wie die Zukunft aussieht, kann noch keiner sagen. Man hofft auf bessere Zeiten, als während der letzten Groko.
Zum Schluss
Was mir persönlich nicht aus dem Kopf geht, ist die Tatsache, dass wir schon seit November eine funktionierende Regierung hätten haben können, wäre die Linke unter Leitung von Lackaffe Lindner nicht abgesprungen. So falsch hätte die Regierung ja nicht sein können, die AfD wäre auch nicht dabei gewesen und die frisch-geschiedene Groko hätte nicht wieder unter Monaten der Verhandlungen zwangsverheiratet werden müssen. Leider hat die gelbe Partei kaum an Umfragewerten verloren. Die dürfen sich dann aber nicht beschweren, sollte die Groko wieder den Bach runtergeh‘n.