Chanukka, das jüdische Lichterfest, ist für unsere Autorin Jessica Bradley etwas Eigenes – und doch fast genauso fremd wie uns. Auftakt zu einem ersten Versuch.
Heute ist der erste Tag von Chanukka. Mein erstes Chanukka.
Warum das so ist? Ich kann es nicht in wenigen Worten erklären. Meine Geschichte ist lang, ist kompliziert. Vielleicht so: Ich war immer Jüdin. Und ich durfte nie Jüdin sein.
Bis zum heutigen Tag war es ein langer Weg. Gepflastert mit einer unvollständigen Identität, Selbstzweifeln und Unsicherheit. Nun feiere ich das erste Mal ein jüdisches Fest.
Chanukka ist das Jubiläum der Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem 164 v. Chr., nachdem dieser eine Zeit lang einem anderen Gott, nämlich dem griechischen Zeus, gewidmet war. Dieses Fest passt gut zu mir. Es ist ein Neubeginn.
Chanukka-Tradition ohne Tradition
Heute feiern mein Mann, meine Kinder und ich unser erstes Chanukka. Aber wie?
Natürlich kann man recherchieren, Menschen fragen, Bücher lesen oder im Internet suchen, wie man als Jude oder Jüdin das Lichterfest begeht. Doch das ist nicht vergleichbar damit, im jüdischen Glauben, in der jüdischen Kultur aufgewachsen zu sein.
Das Leuchten in den Augen eines Kindes, wenn die erste Kerze entzündet wird, wenn die Familie zusammenkommt, isst, spielt und betet. Das fehlt mir, obwohl ich es nie erlebt habe – oder genau deshalb.
Als Tradition des Lichterfestes wird an jedem der acht Tage mit Sonnenuntergang eine weitere Kerze am Channukia, dem neunarmigen Leuchter angezündet. Man beginnt mit der Dienerkerze in der Mitte. Mit ihr wird am ersten Tag die ganz linke Kerze entzündet, morgen die beiden linken und so weiter.
Das ist die Tradition. Es durfte bislang nicht meine sein.
Einer von acht Schritten
Wir haben unseren eigenen Weg gefunden, dieses Fest zu begehen. Ich hoffe, dass er zu meiner Tradition werden wird. Wie es mir dabei geht und was es mit mir macht, werde ich in den nächsten acht Tagen erfahren. Und ich werde es euch – nachdem ich es verdaut habe – erzählen.
Heute habe ich die erste Kerze entzündet. Wir haben kleine Geschenke und Münzen an die Kinder verteilt. Einen Moment der Nähe zugelassen.
Dennoch, jetzt – am ersten Tag – fühle ich mich einsam.