Der Trend wird immer deutlicher: Der Fernseher wird, neben anderen Tätigkeiten, nur noch nebenbei laufen gelassen. Aber sind wir alle plötzlich Multitaskingfähig oder beschreibt das einfach unser aktuelles Medienverhalten? Und ist das allein ein mediales Konsumverhalten der jüngeren Generation?
Das Massenmedium Fernsehen. Seit vielen Jahrzehnten ein fester Bestandteil unseres Medienkonsums. Aber nutzen wir dieses Gerät noch genauso wie früher?
Wenn man die ältere Generation fragt, wie früher Fern geschaut wurde, dann wird meistens davon berichtet, wie sich die ganze Familie schweigend vor dem Fernseher versammelte und das damals noch leicht überschaubare Programm bestaunte. Das Fernsehgerät war Unterhaltung, Traumwelt und Fantasiewelt sowie wichtige Informationsquelle zugleich. Doch diese Zeit ist vorbei. Der Fernseher wurde von schnelleren Medien überholt, allen voran das Internet. Die Digitalisierung hat alles verändert. Durch die ganzen Social-Media-Kanäle, die Streaming-Dienste wie Netflix und nicht zuletzt dank der unzähligen Fernsehformate ist dieser eigentliche Akt des konzentrierten Schauens verloren gegangen. Wir sind zu sehr verwöhnt von der Masse an Möglichkeiten.
Denn jeder von uns kennt doch dieses Szenario:
Die Mikrowelle klingelt, das Essen ist fertig. Irgendwo im Hintergrund läuft ein Mittagsmagazin im Fernsehen. Das Gesprochene wird wahrgenommen. Ab und zu wird auch mal hingeschaut.
Der Fernseher läuft, genauso wie früher, aber eben nur noch nebenbei. Fernsehschauen assoziieren die meisten Menschen mit einer einfachen Tätigkeit. Zur Entspannung. Genau diese Haltung ebnet den Weg, dass der Fernseher ein Nebenbeimedium wird. Wenn wir als Zuschauer schon den Anspruch an einen geringen mentalen Aufwand beim Zuschauen haben, dann wird die gleichzeitige Beschäftigung mit anderen Tätigkeiten schnell zur Normalität. Also essen wir nebenher, putzen oder telefonieren mit dem Partner. Die(Möchtegern-)Digital Natives unter uns haben gerne auch alle möglichen anderen Medien gleichzeitig im Einsatz.
Eine Studie von Kuhlmann und Wolling zu diesem Thema zeigt, dass ganze 30 Prozent des Fernsehschauens auf die Nebenbeinutzung entfallen. Wir richten unsere Aufmerksamkeit fast ein Drittel der gesamten Zeit des Fernsehens auf eine Nebentätigkeit. Interessant: Die Primetime ist nach wie vor DIE Zeit zum konzentrierten Fernsehen. In Werbepausen verabschiedet sich die Aufmerksamkeit natürlich schnell, dafür ist sie bei Informationsformaten wieder voll da.
Die Studie zeigt aber auch, dass das Nebenbei-Fernsehen vor allem ein Phänomen der jüngeren Generation ist. Zu beobachten ist hier natürlich auch: Der Fernseher hat kein Alleinstellungsmerkmal mehr als Informations- und Kosummedium, deshalb ist unser Multitasking-Verhalten auch auf andere Medien und vor allem auf viele Medien gleichzeitig übertragbar. Aber wachsen wir nicht mittlerweile in solchen Verhaltensmustern auf? Wir arbeiten am Laptop und haben das Handy immer griffbereit nebendran liegen. Der Fernseher ist an und die knifflige Frage von „Wer wird Millionär?“ wird schnell auf dem Smartphone gegoogelt. Das Radio läuft leise im Hintergrund und man versucht konzentriert seinen Krimi zu Ende zu lesen.
So sieht heutzutage unser Alltag aus – alle Medien immer und überall sofort bereit.
Aber genau das verleitet uns dazu mediale Multitasking-Konsumenten zu werden. Wollen wir das denn auch wirklich? Wäre es nicht viel effektiver, das Handy während dem Recherchieren am Laptop auszumachen? Das Radio während dem Lesen ausschalten, damit man denselben Absatz nicht mehrmals lesen muss? Oder lohnt es sich seine Aufmerksamkeit zu teilen um nichts zu verpassen?
Ich finde, genau das beschreibt in Teilen unser aktuelles gesellschaftliches Bild und unsere Art zu leben: Alles muss gleichzeitig passieren, effizienter sein, auf nichts soll verzichtet werden und erreichbar ist man ja sowieso immer.
Aber vor allem beim Fernsehen geht das auf Kosten des Vergnügens. Was bekommst du denn noch von dem Krimi mit, wenn du ein Drittel des ganzen Filmes auf dein Handy schaust? Dass man bei gewissen Inhalten, wie Musik- und Quizsendungen gerne seine Aufmerksamkeit auf andere Tätigkeiten längt ist verständlich. Dennoch sollte das nicht zu einer Gewohnheit werden, die auf alle Formate angewendet wird. Ich frage mich bei Menschen, die im Kino sitzen und im Zwei-Minuten-Takt ihr Handy rausholen um Nachrichten zu tippen immer, warum sie dafür überhaupt ins Kino gegangen sind. Schließlich ist heute der Gang ins Kino die einzig verbleibende Möglichkeit an die Sehgewohnheiten früherer Generationen anzuschließen. Aber wofür brauche ich die große Leinwand, den guten Sound und dieses ganze Kino-Erlebnis, wenn ich mich dann doch nicht ganz darauf einlasse?
Außerdem ist es doch purer Stress, wenn wir versuchen unsere Aufmerksamkeit gleichberechtigt aufzuteilen: Die Story des Krimis nachvollziehen und gleichzeitig mit der besten Freundin chatten. Vor allem wenn zwei Medien gleichzeitig im Einsatz sind, leidet mindestens eine Tätigkeit darunter.
Das Essen vor dem Fernseher geht deutlich besser, da diese automatisierten Vorgänge oft viel weniger Aufmerksamkeit beanspruchen. Auch die Hausarbeit wird gerne und ohne Probleme gleichzeitig erledigt – beispielsweise Bügeln während die Lieblingsserie läuft. Außerdem haben wir beim Fernseher einen Vorteil: Er liefert uns immer beides, Bild und Ton. Es reicht für das Verständnis oft aus, wenn wir uns auf eines von beiden konzentrieren. Essen, bügeln, telefonieren – das ist also alles kein Problem neben dem Fernsehen. ABER: So bekommen gleichzeitig auch die Nebentätigkeiten viel weniger Aufmerksamkeit? Sollte der Akt des Essens und die Kommunikation mit meinen Freunden nicht die ganze Aufmerksamkeit bekommen? Verdienen sie nicht meine ungeteilte Aufmerksamkeit? Vielleicht wird das Fernsehen nicht eingeschränkt, aber die Nebentätigkeiten verlieren an Bedeutung. Das wichtige Beziehungsthema mit dem Partner wird nur noch nebenbei diskutiert, während die Augen auf die neuste Talkshow gerichtet sind.
Aber ist es das wirklich wert?
Kann ich mich jetzt immer noch entspannt mit meinem aufgewärmten Mittagessen in der Hand auf die Couch setzen und weiter das Mittagsmagazin verfolgen? Meine kognitiven Kapazitäten der Aufmerksamkeit reichen schließlich hoffentlich noch aus, um mir bewusst zu sein, dass ich gerade ein sogenanntes „Nebenbeimedium“ konsumiere und es immer wieder aufs Neue selbst zu diesem mache.