Klar, Lebensmittel können eingefroren und so länger haltbar gemacht werden. Aber funktioniert dies auch mit lebendenden Organismen? Mit Menschen? Das scheint auf den ersten Blick nicht möglich zu sein, aber die Forschung liefert hierbei ganz andere Ergebnisse. Hier eine Einschätzung, ob wir uns einfrieren lassen können oder nicht.
Unser Leben ist endlich. Irgendwann müssen wir alle sterben und dann wird unser Körper entweder verbrannt oder vergraben. So oder so wird er mit der Zeit verrotten und es bleibt nichts mehr von ihm übrig. So ist der Lauf der Dinge eben – so war es und wird es nicht anders sein. Aber… was wäre, wenn… Was wäre, wenn es die Möglichkeit gebe unsere Körper vor dem Tod zu konservieren, sodass wir in einer fernen Zukunft wieder aufwachen könnten? Wie das passieren soll? Natürlich mit einfrieren. Wir könnten uns vor unserem Tod (oder zu einem anderen Zeitpunkt) entscheiden, ob wir genug von diesem Zeitalter haben und uns von Wissenschaftlern auf Eis legen lassen. Später würden wir einfach wieder aufgetaut werden und dann ginge unser Leben normal weiter.
Eine merkwürdige Vorstellung? Wie aus einem Buch oder Film? – Ganz und gar nicht. Dies ist alles näher an unserer Realität als wir es uns vorstellen.
Das Zauberwort heißt Kryonik
Es gibt einen ganzen Wissenschaftsbereich, der sich mit der Kryokonservierung – also dem Aufbewahren von Zellen und Geweben durch Einfrieren in flüssigen Stickstoff – beschäftigt. Ziel dieser Wissenschaft ist es dabei, ein Verfahren zu entwickeln, bei welchem es möglich ist, auch größere Organe und Organismen so zu kryokonservieren, dass sie die Konservierung auch überdauern.
Das Verfahren der Kryokonservierung scheint auf dem ersten Blick zunächst nicht so schwer. Der jeweilige Organismus wird bei circa -196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff gekühlt. Die größere Herausforderung besteht im Wiederauftauen. Das kann, je nach Größe des Organismus, mehrere Stunden dauern und genau an diesem Punkt kommt es im Moment noch zu großen Problemen. Denn es wurde noch nicht gelöst, wie der Organismus langsam aufgetaut werden kann, sodass die im Gewebe enthaltenen Eiweiße nicht beschädigt werden und es andererseits nicht zu einer Sauerstoffunterversorgung kommt und der Organismus abstirbt. Auch das Problem eines Frostschutzmittels ist noch nicht gelöst.
Mit kleinen Schritten geht es vorwärts
Und trotzdem gibt es Fortschritte. Forscher haben es geschafft die Larven der kälteempfindlichen Taufliege zu frosten und nach einer Stunde wieder aufzutauen, ohne dass es zu Beschädigungen kam. „Auch von der Natur lässt sich viel lernen. Sie zeigt uns, dass lebende Organismen grundsätzlich das Einfrieren und Auftauen unbeschädigt überstehen können“, betont Kryonik-Experte Klaus Sames, der ehemals am Universitätsklinikum Hamburg forschte. Dabei spielt er beispielsweise auf einen in Nordamerika heimischen Waldfrosch an, der sich bei Minusgraden einfrieren kann. Oder auch die Larven des Alaska-Käfers, die -150 Grad locker überstehen können. Bis es jedoch zu einem erfolgreichen Einfrieren und Auftauen eines komplexen Gewebes, wie des eines Menschens kommen kann, scheint es noch ein weiter Weg mit viele Herausforderungen, wie Andreas Sputtek, der ehemalige Präsident der „Society for Cryobiology“ betont.
Auch gibt es noch viele Gegner, die der Entwicklung sehr skeptisch gegenüberstehen: „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass [das Einfrieren] auch mit großen menschlichen Organen funktioniert“, so beispielsweise Zellbiologe Martin Zenke. Ob das Einfrieren nun funktioniert oder nicht, wird wohl die Zeit und die weitere Forschung bringen.
Und wenn es klappt, was dann?
Aber denken wir doch mal weiter… Was würde passieren, wenn es gelingen würde, Menschen einfrieren zu können? Dann wäre es möglich Unfallopfer, denen der Notarzt vor Ort nicht helfen kann, einzufrieren und später in Spezialkliniken wieder aufzutauen. Damit wären Krankentransporte weniger riskant und man könnte Menschen später helfen, wenn sich die Medizin verbessert hätte. Auch für die bemannte Raumfahrt wäre das Einfrieren von Menschen ein großer Vorteil. So könnten fernere Planeten im All leichter erreicht werden, da die Lebensspanne der Raumfahrer verlängert und an Rohstoffen, wie Nahrungsmitteln, eingespart werden könnte.
Für manche wird der kalte Traum schon wahr
Doch schon mehr als 200 Menschen träumen den Traum vom Erwachen aus dem Eis, denn die beiden US-Unternehmen „Alcor“ und „Cryonics Institute“ bieten an, dass man sich für 150.000 US-Dollar einfrieren lassen kann. Auch in Russland besteht diese Möglichkeit. In Deutschland gibt es eine solche Einrichtung nicht, da die Gesetzlage dies nicht zu lässt. Hierzulande ist es verboten, dass Leichen aufbewahrt werden, da dies gegen das Bestattungsgesetz verstößt. „Die genauen rechtlichen Bedingungen sind einfach noch nicht geklärt“, erklärt Sames. So wird es in Zukunft sicher Debatten darüber geben, wie man Fälle des Einfrierens regeln lassen kann.
Einfrieren in Film und Buch
Natürlich bietet das Thema der Kryonik großes Potential, um in Film und Literatur verarbeitet zu werden. Vor allem die Science-Fiction beschäftigt sich mit diesem Thema. So nutzt Robert A. Heinlein 1956 in seinem Roman Die Tür in den Sommer die Kryonik, um einen Zeitsprung vom Jahr 1970 in das Jahr 2000 zu ermöglichen. Auch im Film Forever Young lässt sich Captain Daniel McCormick in einem Experiment einfrieren, wird vergessen und zu einer anderen Zeit wieder aufgetaut. Der Film Interstellar nutzt das Einfrieren, damit lange Raumreisen möglich werden und auch im Film The Return of the First Avenger taucht ein verschollener Freund auf, der in der Sowjetunion eingefroren wurde.
Bei allen Filmen und Büchern scheint es dabei vor allem darum zu gehen, dass der Protagonist auf eine völlig veränderte Zukunft trifft und mit den großen Unterschieden zwischen seiner gewohnten Vergangenheit und der fremden Zukunft klarkommen muss. Vergangenheit und Gegenwart, eigene Erfahrungen und Anpassung scheinen die großen Themen zu sein.
Wie man es auch nimmt, so scheint es, dass das Einfrieren von Menschen nicht mehr ganz so ferne Zukunftsmusik ist, wie man es sich eigentlich vorstellt. Und egal ob und wann es möglich sein wird, ist es für viele Menschen ein Hoffnungsschimmer, dass sie Krankheit und auch den Tod überdauern können. Es eröffnet einen Ausweg aus der eigenen Sterblichkeit, eine Möglichkeit dem Verrotten aus dem Weg zu gehen. Wie groß diese Möglichkeit wirklich ist, das wird die Zukunft bringen.