Als mir meine Mutter neulich Bilder von ihrer Island-Reise im Januar zeigte fielen mir zwei Dinge auf: Erstens: In Reykjavik gab’s eine Menge Schnee. Und Zweitens: Es waren noch überall bunte Weihnachtslichter angebracht. Und das nicht nur, weil sie schön aussahen. Der Grund für die Dekoration hat doch einen eher negativen Hintergrund: Winterdepressionen.
Die miese Laune sobald man morgens die Jalousien öffnet und die grauen Wolken und kahlen Bäume sieht. Der sehnsüchtige Blick gen Himmel in der Mittagspause, wenn der Regen an die Scheibe klopft und das wachsende Verlangen, „nur noch fünf Minuten“ länger in den Federn zu verweilen. Unter dem Begriff „Winterdepressionen“ kann sich jeder bestimmt bereits denken, um was es sich handelt: eine depressive Störung in der kalten Jahreszeit. Tatsächlich ist die Winterdepression (bei manchen auch als Herbstdepression bekannt) eine saisonal bedingte Depression. Im Englischen hat diese – von den Ärzten seit etwas über 20 Jahren anerkannte – Erkrankung übrigens die passende Abkürzung SAD (Seasonal Affecive Disorder). Der berühmte Winter-Blues kann ebenso als Synonym für Winterdepressionen herhalten, wie der Begriff Lichtmangel-Depression. Der Grund für das Trübsal, den laut Angaben des Pro Psychotherapie Vereines fast 10 Prozent der deutschen Bevölkerung blassen hat tatsächlich etwas mit dem Tageslicht zu tun. Unser Körper reagiert mit diesem Umschwung der Emotionen und Verhaltensänderung auf die im Herbst und Winter immer kürzer werdenden Tage und länger werdende Nächte. Im Frühjahr, wenn mehr Tageslicht zu spüren ist, legt sich auch wieder die depressive Stimmung.
Natürlich ist nicht jeder Mensch auf Erden gleichermaßen anfällig für die winterliche Trübseligkeit. Vielmehr ist es abhängig von der Region, in der man lebt. In südlichen Ländern mit mehr Sonnenschein und deutlich milderen Wintern kommt es selten zum Winter Blues. Im Norden dagegen – wie zum Beispiel in Island – wo an manchen Wintertagen auch mal lange Zeit gar keine Sonne zu sehen ist und es sehr kalt werden kann – leiden schon deutlich mehr Menschen an saisonal bedingten Depressionen. Da sind die Isländer bestimmt nicht die einzigen, die mit Lichterketten an den Häusern gegen die Lichtmangel-Krankheit vorgehen.
Symptome der Winterdepression werden zumeist auch erst im Alter von 20 bis 30 Jahren als solche erkannt. Mit zunehmendem Alter kann deren Intensität weiter zunehmen. Auch das Geschlecht scheint eine Rollte zu spielen. Laut dem PAL Ratgeber sind viermal mehr Frauen von Winterdepressionen betroffen als Männer. Die Frage, ob das nun damit zusammenhängt, dass die Frau im Allgemeinen empfindlicher auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagiert, oder auf die simple Gleichgültigkeit die dem männlichen Geschlecht zugeschrieben wird, bleibt allerdings unbeantwortet.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Winterdepressionen und anderen depressiven Störungen?
Viele kennen sicher dieses Gefühl während der kalten Jahreszeit: Im Winter nimmt mit schwindendem Tageslicht auch die Motivation ab. Man ist antriebslos, würde am liebsten den Tag über schlafen und Plätzchen mampfen und ist oftmals ohne Grund schlecht gelaunt. Doch kaum bricht der Frühling an und die Tage werden wieder länger, legt sich der Trübsinn. Denn im Gegensatz zu anderen depressiven Störungen ist die Dauer der üblichen Winterdepression begrenzt. Meistens treten erste Anzeichen bereits im Herbst auf, dauern die kalte Jahreszeit über an, enden jedoch mit Antritt des Frühlings. Auch die Symptome der Winterdepression weichen von denen anderer Depressionen ab. So leidet der Geplagte nicht etwa an Schlafstörungen und Appetitlosigkeit, was dann unwillkürlich zur Gewichtsabnahme führt – das Gegenteil ist eher der Fall! Man hat öfters das Verlangen nach kräftigen Mahlzeiten, bzw. kohlenstoffreiches Essen, und verstärkt Appetit auf Süßes. Das kann das schon mal dazu führen, dass man ein bisschen zunimmt. Winterspeck, sozusagen. So mancher wird morgens kaum aus dem Bett wollen und fühlt den Tag über eine ständige Müdigkeit. Durch die längeren Dunkelphasen im Herbst und Winter kommt nämlich häufig unser Schlafrhythmus etwas durcheinander. Unser Energieniveau scheint in dieser Zeit ebenfalls niedriger zu liegen als sonst, es fehlt an Motivation und es herrscht eine gewisse Antriebslosigkeit und geringe Leistungsfähigkeit – egal ob bei der Arbeit oder auf der Schulbank. Dazu kommen dann aber noch Symptome, die man nicht nur speziell der Winterdepression zuschreiben kann: eine häufig bedrückte und grundlos negative Stimmung, Trübseligkeit, Gereiztheit. Manch einer zieht sich auch sozial etwas zurück, andere erleben sogar eventuell eine verstärkte Ängstlichkeit.
Winterdepressionen sind keinesfalls Hirngespinste und können durch simple Maßnahmen behandelt werden.
Was tun gegen den Winter Blues?
Die Isländer machen es vor: viel Licht! Der Trick ist einfach, aber genial. Es muss ja nicht gleich ein riesiger Scheinwerfer im Wohnzimmer stehen. Ein paar Lichterketten Am Haus, Kerzen in der Wohnung. Oft reicht es schon, sich mit warmen Farben zu umgeben: Rot-, Gelb- und Orangetöne sind ideal. Man darf das Grau von draußen nicht an sich heranlassen. Ob mit einem schönen Blumenstrauß im Esszimmer oder bunte Bettbezügen. Belebende Farben um sich herum zu haben, lassen den Winter gleich weniger grau dastehen.
Bewegung ist ebenfalls ein gutes Mittel gegen die Trübseligkeit. Auch bei schlechtem Wetter sollte man wenigstens eine halbe Stunde aktiv im Freien verbringen, egal ob mit Joggen oder einem ausgiebigen Spaziergang. Regelmäßige Bewegung im Freien regt nämlich den Stoffwechsel an und halt Geist und Körper gesund. Apropos gesund: unsere Ernährung kann ebenfalls dazu beitragen, unser Gemüt in der kalten Jahreszeit zu erhellen. Nur weil unsere eigenen Obstbäume kahl sind und unsere Äcker karg daliegen, heißt das noch lange nicht das wir auf ausgewogene Ernährung verzichten müssen. Obst und Gemüse bietet viele Möglichkeiten für abwechslungsreiche Mahlzeiten. Aber keine Sorge, Schokolade und andere Süßigkeiten sind durchaus erlaubt. Diese kleinen Glücksmomente gönnt man sich doch gerne im warmen Zuhause, während draußen der Nebel an die Pflänzchen friert.
Die ganze Zeit alleine in der Wohnung hocken geht aber gar nicht! Dem drohenden sozialen Rückzug sollte man auf jeden Fall mit ausgiebigen Kontakt zu Freunden vorbeugen. So bleibt niemand allein und verfällt dem Winter Blues. Vieles ist einfach nur Kopfsache.
Wer sich trotz warmer Farben und Freunden in der Wohnung unwohl fühlt, sollte darüber sprechen. Ob nun mit einer Person des Vertrauens oder – falls die Probleme mit dem Mangel an Tageslicht unüberwindbar scheinen – mit dem Hausarzt. Dieser kann Winter-geplagten durch die Lichttherapie weiterhelfen. In Kliniken oder bei Ärzten mit passender Ausstattung kann der Patient dann für bis zu zwei Stunden mit einem Lichttherapie-Gerät gegen die Depression vorgehen.
In Städten wie Reykjavik und Umgebung hat die persönliche Lichttherapie schon Einzug in den winterlichen Alltag gefunden. Selbst wenn wir hier in Deutschland an manchen Tagen deutlich mehr Sonnenlicht abbekommen, so schadet es doch nicht, sich mit ein bisschen schöner Deko am Haus und in der Wohnstube einzudecken, auch über das Weihnachtsfest hinaus. Denn Licht ist dann besonders für das Gemüt nur förderlich.