Wer hat alles als Kind abends eine Geschichte zum Einschlafen vorgelesen bekommen? Da werden sicher einige von euch mit “Ja” antworten können. Namen, wie Erich Kästner, Astrid Lindgren oder Max Kruse waren dabei jedem von uns bekannt. Es kämpften in den Geschichten mutige Helden gegen böse Schurken mit Hilfe von Zauberei oder sie mussten auch einfach einen ganz normalen Schultag mit all seinen Hindernissen meistern. Manche Kinderbücher sind uns dabei mehr im Gedächtnis geblieben als andere – sie sind unsere Lieblingskinderbücher. Welche das bei unseren Autoren Laura, Silke, Marta und Saskia sind, das stellen sie euch hier vor:
Ottfried Preußler: Die kleine Hexe
Ich habe als Kind überhaupt nicht gerne gelesen, aber umso lieber habe ich Hörbücher gehört. Meine absoluten Lieblingsgeschichten waren die Geschichten der Kleinen Hexe. Als im Februar der neue Film mit Karoline Herfurth in der Hauptrolle erschien, erinnerte ich mich sofort an Abraxas, Muhme Rumpumpel und natürlich die Dorfkinder Thomas und Vroni.Otfried Preußler schrieb das Buch in den 50er Jahren und es hat sich bis heute wirklich gut gehalten. Im Grunde geht es um die kleine Hexe, die ein Jahr gute Taten verbringt, um mit den großen Hexen die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg feiern zu dürfen. Dafür hilft sie unter anderem den Dorfkindern dabei einen Schneemann zu bauen, oder sorgt dafür, dass ein Maronenverkäufer sich nicht mehr die Finger verbrennt, wenn er die Maronen aus dem Ofen holt. Dabei entgeht der kleinen Hexe leider, dass bei Hexen „gute Taten“ eigentlich die bösen Taten gemeint sind und wird von der Oberhexe für ihr Tun bestraft; sie soll das Feuerholz für den Scheiterhaufen zusammentragen. Da die kleine Hexe aber eine gute Hexe ist, sich aber an den anderen Hexen rächen möchte, hext sie ihren Kolleginnen das Hexen ab, und verbrennt ihre Besen und Hexenbücher. Von den Charakteren mochte ich immer den Raben Abraxas am meisten. Heute würde man ihn ihren Sidekick nennen, und zwar die sarkastische Sorte. Er unterstützt die kleine Hexe bei allem was sie tut, aber sieht bestimmte Fehler vorher, und kritisiert sie auch.
Meine Lieblingsgeschichte war die obengenannte Geschichte mit dem Maronenmann. Ich kann nicht einmal genau sagen wieso, sie ist mir einfach am meisten im Gedächtnis geblieben und ich habe sie am meisten angehört. Generell mochte ich die Winterkapitel sehr. Auch die Kapitel mit der Wetterhexe Rumpumpel sind noch im Kopf, da sie sozusagen die Antagonistin des Buchs darstellen soll und die kleine Hexe beschattet, um der Oberhexe von ihren Taten zu berichten. Ich würde das Buch auch heute noch lesen, es ist witzig und herzerwärmend, ganz anders als andere Bücher, die man von Otfried Preußler so kennt. (Silke)
Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Manche Kinderbücher sind zeitlos – egal, ob schon die Oma oder die Mutter diese Geschichten kannte und gelesen hat, sie begeistern auch Kinder, die in den letzten 20 Jahren geboren wurden. Ein solches Kinderbuch, das auch noch nach 40 Jahren noch immer Spaß macht, ist Jim Knopf und Lukas der Lokmotivführer. 1960 wurde das erstmals veröffentlich, zwei Jahre später kam das zweite Buch Jim Knopf und die Wilde 13. Als Kind habe ich das Buch definitiv gelesen, aber die Geschichte ist mir dennoch vor allem durch die Verfilmung der Augsburger Puppenkiste in Erinnerung geblieben. 1961/62 wurde diese vom Hessischen Rundfunk erst in schwarz-weiß produziert und dann 1976/77 nochmal komplett neu in Farbe. Ich kenne nur die Farbversion, die ich als kleines Kind noch auf VHS Kassetten hatte. Der Charme der alten Marionettenaufnahmen ist einfach unvergesslich, die bekannte Melodie des Lummerlandliedes ein geliebter Ohrwurm. Ende der 90er erschien dann auch eine Zeichentrickserie, im März 2018 kam die erste Realverfilmung in die Kinos. Als ich mir – als Vorbereitung für den Kinogang – die Augsburgerpuppenkiste-Version angeschaut habe, wurde mir ganz warm ums Herz. Die Arbeit, die in der Inszenierung der Geschichte steckt und die Details der Puppen und des Bühnenbildes begeistern mich noch immer. Es ist manchmal schwer zu glauben, dass die Marionetten nur an Schnüren hängen und keine Mimik haben – alles wird so schön gespielt!
Als ich vor einiger Zeit mitbekommen haben, dass Jim Knopf eine Realverfilmung bekommen sollte, war ich gleich begeistert! Es gibt ja schon Verfilmungen von deutschen Kinderbuchklassikern, wie der Kleinen Hexe, Momo, das doppelte Lottchen oder die unendliche Geschichte. Aber durch die schönen Kindheitserinnerungen durch die Augsburger Puppenkiste wollte ich Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer unbedingt sehen! Ich habe mir dann im März den Film mit meiner Mutter und meinem Bruder angesehen. Meine Mutter kannte Jim Knopf noch aus ihrer eigenen Jugend und mein Bruder hat sich Jim Knopf früher immer mit mir angesehen. Und ich war begeistert von dem Film! Generell bin ich deutschen Filmen skeptisch gegenüber, aber diese Produktion ist wirklich gelungen. Es ist oft schwer, ein Buch gut mit Bild und Ton zum Leben zu erwecken. In diesem Fall ist es gelungen – meiner Meinung nach. Um nochmal auf das Kinderbuch zurück zu kommen: Es ist echt schön zu sehen, dass ein Buch, das lange vor meiner Zeit geschrieben wurde und das schon meine Mutter kannte noch immer zu den Klassikern der Kinderbücher zählt. Es ist eine fantasievolle Geschichte, die uns der Autor Michael Ende da geschenkt hat, und ich hoffe, dass sie noch viele weitere Kinder und Generationen begeistern wird! (Laura)
J. K. Rowling: Harry Potter
Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich zu Weihnachten die VHS Kassette von Harry Potter und der Stein der Weisen bekommen habe. Das war wahrscheinlich 2002. Die Geschichte des jungen Zauberers und seine Abenteuer kannte ich aber schon vorher. Zwar konnte ich noch nicht lesen, als die Bücher auch in Deutschland in den Handel kamen, doch durch meine Mutter wurde ich früh an Harry Potter herangeführt. Und auch wie viele andere junge Fans, wuchs auch ich mit den Geschichten und Verfilmungen auf. Ein Jahrzehnt lang wurden wir Fans fantastisch unterhalten; und auch wenn die magische Reise der Harry Potter Bücher 2007 ihr Ende fand und auch die Filme 2011 ein letztes Mal die Hogwarts-Lokomotive zeigte, so habe ich die Bücher nie wirklich vergessen oder als „Kinderbücher“ gesehen. Mit jedem Buch wurde der Protagonist mit neuen Problemen und Abenteuern konfrontiert, die Filme wurde von Mal zu Mal düsterer, und auch die Fans wuchsen mit Harry Potter, wurden älter. Die Figuren der Geschichte haben viel erlebt, Freud und Leid erfahren, und so auch vielen Lesern geholfen. Die Figur Harry Potter selbst ist schon sehr faszinierend. Als Kind kann man sich sehr gut in ihn hineinversetzten, wenn er zum ersten Mal mit Magie in Berührung kommt und diese magische Welt erkundigt. Als junger Erwachsener fühlt man mit ihm mit, wenn er mit Problemen im Unterricht, mit Lehrern und Mitschülern konfrontiert wird. Und als Erwachsener ist man einfach nur froh, dass der junge Held die Schikane der Verwandten und die Gefahren durch Voldemort und Co. halbwegs heil überstanden hat. Der Verlust von geliebten Figuren hat nicht nur Harry Potter selbst tief getroffen, auch der ein oder andere Leser wird sich an der ein oder anderen Stelle die Tränen von der Wange gestrichen haben.
So wirklich verlassen habe ich die Harry Potter Welt nie. Nach den Büchern kamen die Filme, dann Fanfiktion und nun die Fantastischen Tierwesen-Filmreihe, an der gerade gearbeitet wird. Merchandise wie Schlüsselanhänger, Poster und T-Shirts werden gekauft, das Spiel fürs Smartphone wurde heruntergeladen, und es ist nicht schwer andere Harry Potter-Fans – Potterheads – in einer Menschenmenge zu erkennen. Die bekannten Symbole aus der Buchreihe fallen mir immer wieder ins Auge. Da ist es ein schönes Gefühl zu wissen, dass man mit der Liebe zu diesem Franchise mit einem Fremden gemeinsam hat. Mittlerweile ist es lange zu spät, noch immer auf den Brief von Hogwarts zu warten, aber allein die Vorstellung, dass es eine magische Welt geben könnte und Schüler an einem verborgenen Ort Hexerei und Zauberei gelehrt bekommen ist einfach nur fantastisch! Es hat etwas Zeitloses: die Geschichte von Harry Potter und seinen Freunden wird nicht alt, egal wie oft man sie auch liest, man entdeckt immer wieder etwas Neues. Dinge, über die man sich als Kind wenig Gedanken gemacht hat, sieht man nun in einem ganz anderen Licht – beispielweise, dass Harry in einem Schrank unter der Treppe gelebt hat und offensichtlich als Kind vernachlässigt wurde und auch sonst nicht viel Liebe in seinen jungen Jahren erlebt hat.
So schnell wird der Harry Potter-Hyp auch nicht abflauen. In den nächsten Jahren wird die Filmreihe Fantastische Tierwesen dazu beitragen, dass Zauberei nie wirklich ganz aus den Gedanken verschwindet. Und das Internet mit den vielen Möglichkeiten, Meinungen und Theorien zu verbreiten, wird ebenfalls ihr Übriges tun, um immer wieder für Aufruhr zu sorgen. Und vergessen können wir natürlich auch nicht die Diskussion darüber, ob Professor Snape nun ein guter oder schlechter Mensch war – ich persönlich kann ihm nichts abgewinnen, aber da hat jeder Potterhead wohl seine eigene Meinung. Meine Liebe zu Harry Potter hat früh angefangen und auch wenn es vielleicht mit den Jahren etwas abgeflaut ist, so werde ich diesen Geschichten nicht so schnell den Rücken zukehren – dafür ist mir das alles viel zu wichtig. (Laura)
Csengery Ilona: Isten hozott, Manóka! (Herzlich willkommen, kleiner Kobold!)
Mein liebstes Kinderbuch begleitet meine Familie seit über siebzig Jahren und wurde von unzähligen Kindern gelesen und geliebt. In meiner Kindheit konnte ich es fast auswendig nachsprechen und heute gilt das gleiche für meine Kinder. Die Geschichte ist schnell erzählt: ein kleiner Kobold gerät aus seiner Heimat im Wald versehentlich in das moderne Budapest. Er bringt die geordnete Welt seiner Gastgeber gehörig durcheinander und eckt mit seinen Streichen überall an. Das Buch ist nicht nur unheimlich lustig, es ist auch sehr liebevoll und für die Zeit recht aufwendig bebildert. Ich erkannte erst sein aufrührerisches Potential, als ich das Buch zum ersten Mal im Erwachsenenalter las. Geschrieben wurde das Buch von Ilona Csengery, einer Schauspielerin und Tochter eines bekannten ungarischen Linguisten siebenbürgisch-jüdischer Herkunft. Dieses Buch, ihr zweites, erschien 1943 in Klausenburg, mitten im Krieg.
Die Geschichte wird konsequent aus der Sicht des Koboldes, eines kleinen dunkelhäutigen Jungen erzählt. Dieser Junge verkörpert alles, was der auch in Siebenbürgen sehr präsente Nationalsozialismus verteufelte – andere, „rückständige“ Kultur, exotisches Aussehen (und ganz plakativ, kleine Hörner in den wolligen Haaren), unangepasstes Auftreten. Er findet Seife lecker, verwechselt Münzen mit Knöpfen, und benutzt lieber das Geländer als die Treppe. Er macht sich über die herrschende Zivilisation lustig und lässt die Befindlichkeiten der Erwachsenen lächerlich erscheinen, er bildet für jeden kindlichen Leser die ideale Identifikationsfigur. Ein Aufruf zum Widerstand!
Heute ist dieses Buch, das die Haltung meiner ethnisch gemischten und über die ganze Welt verstreuten Familie entscheidend geprägt hat, aktueller denn je. Auch wenn die Form altmodisch erscheint, ist es humorvoller und respektloser geschrieben als die meisten modernen Kinderbücher. Ich muss zugeben, immer noch kommt mir die Lust, so manchen Streich aus dem Buch nachzumachen, um die verknöcherte erwachsene Gesellschaft mal so richtig aufzumischen. Pippi Langstrumpfs Bruder im Geiste ist leider nur sehr regional bekannt geworden, eine Übersetzung würde vermutlich an der Suche nach den Rechteinhabern scheitern. Für die verschollene Fortsetzung gäbe ich alles! (Marta)
Alexander Melentjewitsch Wolkow: Zauberer der Smaragdenstadt
Ich kannte keinen Ottfried Preußler oder auch keinen Janosch in meiner Kindheit. Auch weitere hier bekannte Kinderbuchautoren waren mir lange Zeit gänzlich unbekannt. Das alles war weit weg von meiner Vorstellung. Sie lernte sie erst mit zwölf Jahren kennen – zu spät, um ihre Geschichten wirklich zu lieben. Was ich aber kannte? Ich kann vieles aus der ehemaligen DDR. Meine Mutter hatte mir Bücher über den Bären Bummi oder dem Hirsch Heinrich, der zu Weihnachten aus dem Zoo abhaut, um wieder nach China in seinen Wald zu kommen, vorgelesen. Mit diesen Büchern bin ich aufgewachsen und ich habe sie alle in ziemlich guter Erinnerung. Doch meine Lieblingsbuchreihe ist sogar noch ein bisschen älter als diese Bücher aus den 1960er und 1970er Jahren.
Alexander Wolkow schrieb 1938 den ersten Teil, fünf weitere Bände sollten folgen, seiner Geschichten über Elli, ihrem Hund Totoschka und ihren Freunden. Beim Zauberer der Smaragdenstadt sieht man noch deutlich die Parallelen zur amerikanischen Vorlage von Frank L. Baums Der Zauberer von Oz, den Wolkow für die Kinder aus Russland kommunistisch-sozialistisch umschrieb. Alle weiteren Teile haben mit Baums Buch nichts mehr direkt zu tun und stehen als eigenständige Reihe dar, auch wenn es immer wieder Hinweise zu Baums anderen Büchern gibt.
Im ersten Teil wird Elli mit ihrem Hund durch einen Sturm, der von der bösen Hexe Gingema entfacht wurde, in das Zauberland gebracht. Dort trifft sie die Vogelscheuche Scheuch, der sich ein Gehirn wünscht, den eisernen Holzfäller, der ein Herz möchte, und dem feigen Löwen, der sich Mut wünscht. Gemeinsam suchen sie den großen Zauberer Godwin auf, um ihre Wünsche erfüllt zu bekommen. Dabei müssen sie viele Abenteuer bestehen bis sie zum Ende ihrer Reise kommen. Elli besucht das Zauberland dann noch zwei weitere Mal bis im vierten Teil ihre Schwester Ann das Zauberland besucht.
Was mir an den Büchern gefällt? Natürlich kann man sagen, dass in diesen Büchern viel kommunistisches Gedankengut transportiert wird, aber das ist sicher nicht alles. Wolkows Geschichten strahlen eine Wärme und Phantasie aus, die mich als Kind einfach begeistert hat. Das Zauberland ist ein magisches Land, wo alles möglich sein kann, aber trotzdem ist nicht alles friedlich, sondern es gibt immer auch eine dunkle Seite und Elli und ihre Freunde müssen mutig sein, um all die Gefahren zu bannen. All das hat eine Mischung für mich gegeben, die mich als Kind immer wieder dazu gebracht meiner Mutter zu bitten das Buch nochmal und nochmal hintereinander vorzulesen. Und wehe, wenn sie irgendwo abgekürzt hat… das habe ich ganz genau gemerkt! (Saskia)