Bei Prinzessinnen denkt die Gesellschaft meist an Glitzer und Tüllkleider, an nette hübsche Mädchen mit rosa Klamotten und ordentlichen Frisuren. Aber was, wenn es auch anders geht? Was, wenn die Geschichte eines kleinen Mädchens ausreicht um Generationen von Kindern anders zu prägen als die Leistungsgesellschaft es vorsieht? Eine mutige, rothaarige Rebellenprinzessin namens Pippi Langstrumpf ist hierfür der unwiderlegbare Beweis.
Mit ihrem Vater als Herrscher einer weit entfernten Südseeinsel ist sie zwar eindeutig königlicher Herkunft und selbstverständlich auch in Besitz des immensen Familienschatzes, da hören die Gemeinsamkeiten mit anderen Prinzessinnen aber auch schon wieder auf.In einer dreiteiligen Serie von Kinderbüchern beschreibt Bestsellerautorin Astrid Lindgren ab dem Jahre 1945 das turbulente Leben der Abenteurerin Pippi, welche die Leserherzen mit ihrer unbefangenen Art im Sturm erobert.
Die Faszination und der ganz eigene Charme der kreativen Geschichten nahmen auch mich als Kind rasch gefangen und so wurde Pippi Langstrumpf schnell zu meinem absoluten Lieblingsbuch. Am meisten bewunderte ich Pippis komplett freie Kindheit. Keine Schule, keine Eltern, keine nervigen Regeln, welches Kind träumt schließlich nicht von solch einem Leben?
Schattenseiten der Idylle
Doch häufig fiel mir ebenfalls auf, wie ihr auf den ersten Blick so glückliches Dasein getrübt war, sei es durch das Thematisieren des Todes ihrer Mutter oder durch ihre Einsamkeit, wenn ihr Vater wieder auf seiner Insel war. Oft schien mir, als hätte Pippi alles, einfach alles, was ein Kind braucht um zufrieden zu sein: Tiere, ein großes Haus, Süßigkeiten, gute Freunde, Freiheit, Natur… Die Liste nimmt und nimmt kein Ende. Das einzige, was fehlt ist eine Familie.
Pippi hat häufig niemanden außer ihr Pferd Kleiner Onkel, ihren Affen Herr Nilsson und die Nachbarskinder Tommy und Annika. So brachte mich Pippis Geschichte schon frühzeitig dazu, über das Glück einer intakten Familie nachzudenken und wertzuschätzen was man hat.Obwohl sie die meiste Zeit sehr fröhlich und unbeschwert lebt, wird doch die Botschaft deutlich, dass absolute Freiheit und Unabhängigkeit eben auch nicht alles sind.
Ein wildes Kind als Vorbild
Am meisten beeindruckt an Pippis Büchern hat mich ihre Macht und Willensstärke, mit der sie so gut wie immer alles erreicht was sie will, ohne dabei je Schaden zuzufügen. Pippi war und ist für mich die mächtigste Kinderbuchprinzessin der Welt, da sie sich ihrer Macht garnicht wirklich bewusst zu sein scheint. Unbändige Muskelkraft sowie ein stets gut gefüllter Koffer mit Gold hätten ihr so gut wie alle Türen dieser Welt geöffnet, doch alles was sie will ist Spielen, frei sein, Kind sein. Mehr braucht sie nicht für ihr Glück.
Natürlich gibt es auch in diesen Büchern die ein oder andere Sequenz, welche im Laufe der Zeit ein wenig ihrer Faszination auf mich einbüßen musste, wie beispielsweise ohne Reifen fahrende Räder oder Spezialkleber, mit dem man an der Decke laufen kann. Doch sind dies noch immer eben die fantastischen, kreativen Elemente, welche Pippis Geschichte so besonders machen.
Pippi Langstrumpf in meinem Kinderzimmer
Diese Bücher waren vor allem für mich persönlich ein wichtiger Teil meiner Flucht, meiner Flucht aus der auslaugenden Schule, aus der anstrengenden Realität, meiner Flucht vor dem Stress und dem Druck, dem heutzutage leider bereits Kinder ausgesetzt sind. Fing ich jedoch an zu lesen, so entschwand ich in eine Welt, in der es Pferde auf der Veranda gab und Pfefferkuchenteig auf dem Küchenboden ausgerollt wurde, wo Ganoven vertrieben wurden und kleine Affen süße Pullover trugen.
Ein Stück weit war Pippi Langstrumpf gewiss die Kindheit, nach der ich mich immer sehnte, die Person, die ich bis heute versuche, ein bisschen zu sein. So klug, so witzig, so kreativ und so frech. Eine richtige Prinzessin, voll Mut, voll Abenteuerlust. Und das alles sogar ganz ohne Prinz.