Schicksal und Zukunft – zwei wichtige Aspekte eines jeden menschlichen Lebens. So wichtig und doch kaum begreifbar, dass sich Menschen schon immer Gedanken gemacht haben, woher das Schicksal und die Zukunft kommen können. Deshalb gibt es in vielen Mythologien Schicksals- und Zufallsgötter. In diesem Beitrag werden einige vorgestellt:
Im vielen Mythologien der Menschen ist die Idee eines vorbestimmten Schicksals fest verankert. Die Zukunft ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern die Geschicke der Welt werden von Göttern gelenkt und vorherbestimmt. So hat jeder Mensch einen bestimmten Zweck, einen Nutzen, dem er nicht entrinnen kann. Oder?
Auf der anderen Seite gibt es Menschen und Kulturen, die nicht daran glauben. Schicksal, Bestimmung sowie die Unentrinnbarkeit sind für sie nicht existent. Stattdessen glauben sie an die Kraft des Zufalls als auch des eigenen Einflusses, dem freien Willen der Menschen. Unsere Zukunft liegt in unseren eigenen Händen, unsere Entscheidungen und zufällige, unvorhergesehene Begebenheiten bestimmten wohin es uns verschlägt.
Götter als Wegweiser der Menschen
Anders sieht das aus in Glaubensrichtungen wie der ägyptischen Mythologie. Dort gibt es drei Götter, die verantwortlich sind für das Schicksal der Menschen: Renenutet gilt als Geburts- und Schutzgöttin, die sich um die Kinder kümmert. Als solche legt sie direkt zu Beginn die Lebensdauer und das Schicksal einer jeden Person fest. Diese Aufgabe teilt sie mit Mesechenet, einer Geburts- und Totengöttin. Als solche bestimmt Mesechenet ebenso das Schicksal, allerdings darüber hinaus als Totengöttin die Wiedergeburt eines Menschen. Auch Schai mischt, als letzter der drei Götter, bei der Schicksalsbestimmung mit. Anders als die beiden Göttinnen ist er jedoch tatsächlich ein Schicksalsgott und ist konkreter in der Bestimmung des Schicksals eines Menschen, seinem Glück, seiner Entwicklung und seinem Ende. Die Schicksalsarbeit der drei ist dabei eine Zusammenarbeit. Mittels Orakeln konnte man sich das Schicksal im Alten Ägypten vorhersagen lassen.
In der Mythologie der Germanen gibt es einige weibliche Wesen, welche als Nornen bezeichnet werden. Sie entsprechen in der nordischen Mythologie den Schicksalsgöttinnen, namentlich genannt sind drei. Urd, Verdandi und Skuld, welche das Prinzip von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verkörpern, wodurch sie die Geschicke der Menschen und sogar Götter lenken. Der Edda ist zu entnehmen, dass sie sich um den Weltenbaum Yggdrasil kümmern und dass sie den Alfen (Alben/Elfen), Asen (Götter) oder Dwalin (Zwergen) entstammen können. Es soll mehr als die drei namentlich genannten Nornen geben und einige von ihnen sollen zu den Müttern kommen und ihnen beim Entbinden helfen. Daher rührt ihre Aufgabe, das Schicksal eines Menschen sowie seine Lebensdauer zu bestimmen. Eine andere Variante stellt die Nornen als eingeteilt in Gut und Böse dar, wovon abhängt, was für ein Schicksal sie den Lebenden zuteilen. Dadurch erhalten die Nornen einen gewissen zufälligen Aspekt. Das Schicksal galt als unabänderbare Notwendigkeit, der sich selbst die Götter nicht entziehen konnten. Versuche, von denen die Geschichten berichten, schlagen immer fehl.
Schicksalhafter Zufall
Wie an den Nornen bereits erkennbar, sind Schicksal und Zufall nicht immer vollständig voneinander getrennt, es handelt sich nicht um eine entweder/oder Entscheidung. Sowohl die griechische als auch die römische Mythologie weisen Schicksalsgöttinnen auf, die den Aspekt des Zufalls auf eine Art verkörpern und das Christentum schreibt Gott zwar zu, die Zukunft der Menschen zu kennen, ihnen dabei aber ihren freien Willen zu lassen.
In der griechischen gibt es neben den drei Schicksalsgöttinnen, den Moiren, noch die Göttinnen Tyche und Ananke. Während die Moiren Klotho („Hervorbringerin“), die den Schicksalsfaden spinnt, Lachesis („Zuteilende“), die die Länge festlegt, und Atropos („Unabwendbare“), die ihn durchschneidet, tatsächlich aktiv das jeweils persönliche Schicksal der Menschen bestimmen, gestaltet sich der Aufgabenbereich der beiden anderen anders. Tyche ist die Göttin des unabwendbaren Schicksals, aber auch des Glücks, des Zufalls und der Fügungen. Sie gilt als launenhaft und unberechenbar, unvorhergesehene Wendungen, zum Guten wie zum Schlechten, sind ihr Tun. Dabei belohnt sie weder die Menschen noch bestraft sie diese, sondern fördert lediglich den Wandel. Sie gilt daher auch als Glücksgöttin und führt dadurch willkürlich zu Glück oder Unglück. Ananke teilt den Platz der Göttin des unabwendbaren Schicksals mit ihr. Sie gilt allerdings, anders als Tyche, als Ursprungsgöttin, die alles umfasst. Sie steht für Bedürfnisse sowie Zwänge und verkörpert das unpersönliche Schicksal der Menschen an sich. Sie thront über allen anderen, ihr Schicksal ist für Götter wie Menschen gleichermaßen unentrinnbar. Diese Schicksale waren ein prägender Bestandteil des Lebens der Griechen gewesen, dass sie sich sogar von Orakeln mittels Weissagungen vorhersagen lassen konnten, für die lange Pilgerreisen unternommen wurden. Ganz bekannt ist heute das Orakel von Delphi.
Nicht unähnlich verhält es sich bei der römischen Mythologie. Auch sie weisen drei Schicksalsgöttinnen auf, Nona („Neunte“), Decima („Zehnte“) und Parcae („Geburtshelferin“). Ihre Namen weisen noch auf ihre ursprüngliche Funktion als Geburtsgöttinnen, wobei die ersten beiden die Monate einer normalen Schwangerschaft verkörpern, hin, bevor sie den Einfluss der griechischen Mythologie erfuhren. Erst dadurch wurden sie in Schicksalsgöttinnen umgedeutet, welche zwar einzeln agieren können, aber nur gemeinsam – angelehnt an die Moiren – über den Lebensfaden bestimmen können. Nona spinnt, Decima bestimmt das Lebensglück und Parcae durchtrennt den Faden. Neben den Parzen verfügt die römische Mythologie noch über die Glücks- und Schicksalsgöttin Fortuna, welche Ähnlich wie Tyche agiert. Sie verteilt Glück und Unglück willkürlich unter den Menschen, ungeachtet des jeweiligen Ansehens. Auch sie gilt als wankelmütig, wodurch es unvorhersehbar wird, was sie wem als nächstes zuteilwerden lässt. Obwohl der römische Glaube stark an vom griechischen beeinflusst ist, waren die Leute weniger reisebereit. Zwar galt auch für sie, dass ein Orakel ihnen ihr Schicksal vorhersagen konnte, doch war eine tatsächliche Reise eher ungewöhnlich.
In vielen großen Mythologien gibt es mehrere Götter, welche das Leben, die Zukunft und damit das Schicksal eines jeden Menschen gestalten. Im christlichen Glauben fällt diese Aufgabe mit allen andern im allmächtigen, einen Gott zusammen. Er existiert außerhalb der Zeit und kennt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig. Er weiß was kommt und kennt die Schicksale der Menschen. Doch ist er kein Gott, der einzelne Schicksale zuweist, die Zukunft tritt für die Menschheit als Kollektiv ein. Für jeden einzelnen wird häufig der Schicksalsbegriff abgelehnt, da Gott den Menschen ein relativ hohes Maß an freiem Willen zugesteht und sie ihr persönliches Schicksal somit zum Großteil selbst beeinflussen können. Entsprechend spielt das Schicksal im christlichen Glauben eine eher untergeordnete Rolle.
Und/oder … oder?
Zukunft und Schicksal sind auf den ersten Blick Gegensätze, die sich nicht vereinen lassen, doch bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass sie mehr miteinander zu tun haben, als man annimmt. Neben den Göttern, die aktiv das Schicksal eines jeden Menschen vorherbestimmen und sein Leben von A bis Z planen, gibt es auch jene Götter, die ihre Gunst und Missgunst willkürlich verteilen – ihr Einfluss erfolgt zufällig und ungeplant. Und während manchen Kulturen und Mythologien nur auf einem der beiden Prinzipien beruhen und andere beide in sich vereinen, so gibt es doch auch noch eine dritte Variante: Keines von beidem, es muss nicht immer das eine und/oder das andere sein. Kulturen wie das Keltische verfügen über keine Vorstellung bezüglich des Schicksals und Zufall, das in Form von Gottheiten verankert wäre. Die Menschen scheinen sich darum keine Gedanken zu machen, das Leben nimmt für sie einfach seinen Lauf. Und das ist wohl noch immer die angenehmste Art, mit der Zukunft umzugehen. Was passiert das passiert, egal wieso und weshalb, solange wir das Beste daraus machen.