Achtet Ihr auf gesunde Ernährung? Bestimmt, wenn Ihr auch manchmal einbrecht und sündigt. Wenn Ihr aber an Eure Schulzeit zurückdenkt – was haben Euch Eure Eltern mit in die Schule gegeben? Waren es belegte Brote, habt Ihr Euch etwas beim Bäcker geholt oder gab es etwas Fertiges aus dem Supermarkt? Seid ehrlich, die wenigsten Pausenbrote entsprechen den Empfehlungen der Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
Schnelle Brotzeit
Ein matschiges belegtes Brot mit Salami oder Schinken, Schmelzkäse, vielleicht ein Müsliriegel: das ist die magere Ausbeute der meisten Brotdosen für Schulkinder. Schlimmstenfalls besteht der Inhalt aus Süßigkeiten – Schokoriegel, Kekse oder auch Chips sind für die Eltern schnell verpackt, das Kind ist zufrieden.
Gesund ist das nicht, das wissen auch die Eltern. Meistens ist es Zeitmangel, der den guten Vorsätzen aus der Kindergartenzeit ein Ende bereitet. Die meisten Kindergärten haben Vorschriften, die den Kindern ein gesundes Frühstück bereiten sollen – Süßes gar nicht oder nur an einem Tag in der Woche, Teilen des mitgebrachten Essens, und in ganz wenigen Einrichtungen bekommen die Kinder auch die Zwischenmahlzeiten gestellt.
Wer schon einmal versucht hat, im Halbschlaf in zehn Minuten Gemüse und Obst zu putzen und zu schneiden, ausgewogen zusammenzustellen und ansprechend anzurichten, weiß, dass es alles andere als einfach ist, diese Vorschriften zu befolgen. In der Grundschule dagegen wird nicht mehr kontrolliert, die Kinder können mitbringen, was sie wollen, und tun es auch. Durch die Eltern, die nicht auf die Ernährung der Kinder achten, entsteht auch auf die anderen Kinder ein sozialer Druck, der Kinder dazu bringt, sich vor der Schule für ihr Taschengeld beim nächsten Kiosk eine Leckerei zu kaufen, und das ungeliebte Schulbrot fest verschlossen im Schulranzen zu lassen.
Zunehmende Armut zwingt immer mehr Kinder, ganz ohne Schulbrot das Haus zu verlassen. Ob den Eltern ganz die Zeit fehlt, die Kinder mit Essen zu versorgen, oder, noch schlimmer, ihnen das Geld fehlt, in jedem Fall mangelt es den Kindern an den nötigen Nährstoffen. Hinzu kommt, dass auch in den Schulkantinen, wo es sie denn gibt, frisches Obst und Gemüse zu kurz kommt. Wenn dann noch die Eltern zu Hause kaum frisch kochen, haben die Kinder kaum Kontakt zu frischen Lebensmitteln.
Frisches Obst für gesunde Kinder
Um gegen diese Zustände anzugehen, hat die Europäische Union (EU) im Jahr 2009 ein Schulobstprogramm aufgestellt, bei dem vor allem Grundschulkinder mit frischem Obst und Gemüse versorgt werden sollen. Dafür übernimmt die EU 75 Prozent der Kosten, die Einzelstaaten sollen den Rest tragen. In Deutschland ist Bildung bekanntlich Ländersache, so dass das Programm, das auf Freiwilligkeit basiert, sehr unterschiedlich umgesetzt wird. Aktuell nehmen 9 Bundesländer am Programm teil: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Der Bedarf wurde zuvor ermittelt, es wird mit 300-400-Gramm-Portionen pro Kind gerechnet (für je ca. 40 Cent), die jede Woche ausgeteilt werden. Die Länder gestalten die Vorgaben der EU jeweils nach eigenen Richtlinien. Die Schulen haben dann wiederum mehr oder weniger Freiheiten bei der Verteilung der Obst- und Gemüseportionen. Auf jeden Fall müssen sie die Verteilung selbst organisieren.
Baden-Württemberg ist Schlusslicht
Diese Freiheiten treiben manchmal seltsame Blüten: während in anderen Bundesländern das Land die restlichen 25 Prozent der Kosten übernimmt, müssen im grün regierten Baden-Württemberg die Schulen und Kitas diese selbst tragen – über Sponsoren oder Spenden, das bleibt ihnen selbst überlassen. Das Land bietet nur die Plattform, damit sich Spender und Schulen leichter finden. Erst wenn die Finanzierung gesichert ist, kommen die Schulen in den Genuss der Förderung.
Dabei reicht das Geld oft für mehr als gedacht. Im kleinen Saarland werden mittlerweile nicht nur fast alle Grundschulkinder erreicht, auch in Kindergärten und den Unterstufen weiterführender Schulen wird jetzt Obst angeboten. Die Kisten werden meist einmal in der Woche geliefert, in manchen Schulen wird diese Gelegenheit genutzt, um mit den Kindern gemeinsam das Schneiden und Portionieren zu üben. Das Schlagwort ist „Ernährungsbildung“. Man hofft auf diese Weise den Kindern gesunde Ernährung auf schmackhafte Weise näherzubringen. Für Bio-Obst gibt es übrigens einen kleinen Zuschlag.
Leckere Pausen
Und wie kommt das Obst bei den Kindern an? Da die Portionsgrößen altersunabhängig sind und ein Kleinkind wesentlich weniger isst als ein Schulkind, können in Kindergärten Apfelschnitzen und Gurkenscheibchen jeden Morgen am Tisch zum mitgebrachten Frühstück gereicht werden, und o Wunder! Die Kinder verputzen gemeinsam vor allem die Rohkost, erst wenn alles weg ist, kommt das Essen dran, das sie mitgebracht haben.
Niedersachsen hat sogar erhoben, welche Obst- und Gemüsesorten am besten ankommen: die Kinder mögen am liebsten mild schmeckende Sorten, Äpfel, Bananen und Erdbeeren, aber auch Gurken und Kohlrabi kommen gut an. Saures Obst wie Kiwis und Stachelbeeren sind weniger beliebt, und dass Kinder keinen bitteren Chicorée mögen drängt sich geradezu auf. Bayern besteht auf regionale und Erzeugnisse, so dass hier Exotisches wie Bananen oder Mandarinen eher im späten Winter auf den Tisch kommen, wo das entsprechende Angebot eher mau ist.
In der Schule reicht die Menge leider oft nicht für mehr als einen Tag in der Woche, wobei die Reste auch für andere Aktionen verwendet werden können (wie der Aktion „Gesundes Pausenbrot“ in Bayern). Nordrhein-Westfalen schreibt den Schulen dagegen vor, die Portionen auf jeden Fall auf drei Wochentage aufzuteilen.
Zukunftswirkung
Die Frage bleibt, ob durch dieses Angebot die Geschmacksknospen der Kinder wunschgemäß geschult werden. Gewöhnen sich die Kinder an die frische Rohkost, so dass sie auch als Erwachsene eher auf gesunde Ernährung achten? Vieles, wie Kohlrabi oder Paprika, kennen die Kinder nicht unbedingt roh und ungewürzt. Nicht nur der Geschmack, auch die Haptik beim Schneiden kann entscheidende Impulse geben, damit die Kinder vielleicht auch zu Hause Lust bekommen, mal mitzukochen oder auch nur Einfluss auf den Speiseplan der Familie zu nehmen.
Bislang ist das Programm recht erfolgreich, selbst in den stiefmütterlich behandelten baden-württembergischen Einrichtungen. So erfolgreich, dass die Finanzierung von der EU 2014 aufgestockt wurde. Im nächsten Schuljahr, ab Herbst 2017, soll das Programm noch einmal ausgeweitet werden. Dann gibt es nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Milchprodukte umsonst für die Kinder. Die Vorgabe ist, dass diese naturbelassen und ohne Zusatzstoffe sein müssen. Naturjoghurt, Milch und Käse, am besten bio und regional, sollen den Speiseplan der Schulkinder bereichern.
Ab dort ist es dann auch nicht mehr weit zur gesunden Schulspeisung, die den Kindern unabhängig vom Budget der Eltern zugutekommt!