Hochgestellte Damen der Regency-Zeit kämpfen gegen Zombies. Anstatt das Herz eines jungen Edelmannes zu erobern, gilt es, einer finsteren Bedrohung der lästigen Untoten Herr zu werden. Und das alles findet sich in der Handlung eines Klassikers von Jane Austen. Passt nicht so recht zusammen? Doch, durchaus.
Klassiker sind bestimmt nicht die bevorzugte Lektüre der meisten Menschen. Verstaubte Ansichten in einer Zeit, die der unseren nicht unähnlicher sein könnte. Liest man eines dieser Bücher, betrachtet die altmodische Sprache und die strengen, festgelegten Umgangsformen, kommt einem das Ganze doch recht befremdlich vor.
Viele haben Schwierigkeiten damit, sich durch einen Klassiker zu arbeiten. Zum einen, weil der Schreibstiel für heutige Verhältnisse ausgesprochen schwer verständlich ist. Zum anderen ist die Handlung eines Klassikers oft nicht besonders abwechslungsreich und meist dauert es eine Weile, bis sich eine gewisse Spannung entwickelt. Auch die großen, weltberühmten Werke wie Dracula, Frankenstein und Dr. Jekyll & Mr. Hyde können mit aktuellen Krimis und Thriller in Punkto Action nur schwer mithalten. Aus diesem Grund werden Klassiker oft schon von vor dem Lesen als langweilig abgestempelt.
Das dem nicht so sein muss, beweist unter anderem ein Roman, welcher in diesem Jahr erschienen ist. Das Buch Stolz und Vorurteil und Zombies von Seth Grahame-Smith basiert auf der Grundlage des Liebesromans der Autorin Jane Austen, „Stolz und Vorurteil“. Mehr als dass, der Autor hat die ursprüngliche Geschichte genommen und diese umgeschrieben. Wörter wurden ausgetauscht, Sätze verändert und hin und wieder ein neuer Handlungsstrang gestaltet. Durch wenige Ergänzungen und ein paar Änderungen wurde aus der klassischen, romantischen Liebesgeschichte ein apokalyptischer Kampf gegen Horden untoter Zombies.
Folgender Ausschnitt stammt aus dem Originalwerk Stolz und Vorurteil von Jane Austen:
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß ein alleinstehender Mann, der ein beträchtliches Vermögen besitzt, einer Frau bedarf.
Dies ist der gleiche Abschnitt, wie er in Stolz und Vorurteil und Zombies zu finden ist:
Es ist eine allseits anerkannte Wahrheit, dass es einen
Untoten, der im Besitz von Gehirn ist, nur nach einem
verlangt: mehr Gehirn.
Anstatt braver, liebreizender Mädchen findet man in den Bennett-Töchtern kämpferische Amazonen, welche sich der Zombie-Plage des Landes annehmen.
Das Grundgerüst der Handlung bleibt gleich: Schlagkräftiges junges Mädchen lernt eigebildeten Schönling kennen. Zunächst können beide einander nicht ausstehen, finden schlussendlich dann aber doch irgendwie zueinander. Und natürlich geht es um den Stolz der jeweiligen Person und um ihre Vorurteile.
Doch beinahe alles, um diesen Kern herum, wurde verändert, um eine gänzlich neue Geschichte entstehen zu lassen. Kämpfe gegen Zombies anstatt Tanzveranstaltungen. Zwar geht es auch bei dieser Adaption darum, dass Dame und Herr ihre Liebe für den jeweils anderen entdecken und darum kämpfen müssen, doch an actionreichen Elementen mangelt es nicht.
Ist das tatsächlich die Lösung? Sich einfach einen Klassiker nehmen und ihn umschreiben, damit der dem Geschmack der Gegenwart entspricht?
Stolz und Vorurteil und Zombies wurde bereits verfilmt und spielte bisher mehr als 16,4 Millionen US-Dollar ein. Ebenfalls sehr erfolgreich waren die Filme Die Schöne und das Biest (2014), Maleficent – Die dunkle Fee (2014) und Snow White and the Huntsman (2012), welche weiterentwickelte Märchen-Adaptionen sind. Anscheinend ist neu aufgewärmter Stoff angesagt.
Vielleicht liegt es daran, dass manche Leute das Original kennen und fasziniert sind, wie mit ein paar Änderungen eine vollkommen andere Geschichte entstehen kann. Neuinterpretationen eröffnen möglicherweise Sichtweisen, die man zuvor nicht bemerkt hat. Außerdem sind die Handlungen der alten Märchen und Klassiker ansprechender, wenn sie Elemente enthalten, mit denen wir vertrauter sind. Wenn sie unserer Gegenwart angepasst sind, Dinge und Probleme ansprechen, die uns selber betreffen, verstehen wir ihren Sinn leichter und können uns mit den Figuren identifizieren. Was kümmert es uns, wenn sich eine junge Frau der Regency-Zeit um eine standesgemäße Heirat sorgt? Wir verstehen die Formalitäten und Etiketten der damaligen Epoche nicht, können uns nur über diese wundern. Aber wir kennen Zombies. Sei es nun ob durch Film oder Buch, diese untoten Kreaturen sind ein Begriff, mit dem wir etwas anfangen können.
Unsere Klassiker bieten dafür wunderbare Möglichkeiten. Man stelle sich den Dracula-Roman vor, in dem der Fürst der Vampire gegen eine Horde Werwölfe kämpft. Oder wie wäre es, wenn die eigensinnigen Ladys aus Verstand und Gefühl einem Hexenzirkel angehören würden?
Man kann gespannt sein, zu welchen bahnbrechenden, übernatürlichen Abenteuern sich die klassische Literatur noch entwickeln wird.
Fragt sich nur, ob es wirklich so eine gute Idee ist, die Klassiker auf diese Weise zu verändern. Schließlich sind sie ein Teil unserer Kultur und ein wertvolles, literarisches Erbe. Vermutlich würden sich die Autoren im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, was wie ihre Geschichten umgestaltet werden.