Die dunkle Jahreszeit hat begonnen und Geschichten über Gespenster und Geister scheinen nun viel glaubhafter zu sein. Doch es gibt nicht nur den klassischen Geist im weißen Tuch. Schreckgestalten gibt es in den verschiedensten Formen und jede Kultur hat ihre eigenen Monster. Aus diesem Grund präsentieren unsere Redakteur*innen Euch ihre Lieblingsgruselfiguren. Den Anfang macht dabei Saskia und sie greift eines der bekanntesten Monster auf, die es wohl gibt.
Wenn ich meinen Favoriten unter den klassischen Gruselfiguren nennen müsste, dann wäre das ganz sicher der Vampir. Dabei denke ich jedoch nicht an die neusten Vampirdarstellungen, die wir aus den Medien kennen – Vampire, wie in „Twilight“ oder „True Blood“, liegen mir ganz fern. Ich finde es uninteressant, wenn sich eine Liebesgeschichte zwischen Vampir und Mensch entwickelt, stattdessen interessiert fasziniert mich der wirkliche Vampir. Also das blutsaugende Monster, was es bereits seit Jahrhunderten als Mythos gibt. Und genau diesen Vampirmythos stelle ich euch vor.
Vampire – eine Bestandsaufnahme
Die Herkunft unserer westlichen Vampirvorstellung liegt im südosteuropäischen Raum. Lediglich in der genauen Lokalisierung sind die Forschungsergebnisse uneinheitlich. Einige Quellen verorten den Ursprung des Vampirglaubens in Bulgarien und Serbien, andere gehen von der Türkei aus. Der Vampirglaube ist im Karpatenraum und Balkan verbreitet, in Rumänien (Transsilvanien), Ungarn, im östlichen Österreich, Bulgarien, Albanien, Serbien und in Griechenland. Interessant ist dabei, dass das „Blutsaugen“ der Vampire nicht zu den im Volksglauben in erster Linie überlieferten Elementen gehört. Viel wichtiger ist das Verlassen des Grabes, das von der Dorfgemeinschaft untersucht werden musste. Fand sich im verdächtigen Grab ein nicht verwester Leichnam, so wurde dieser auf verschiedene Weise nochmals getötet und dann verbrannt.
Eine weitere Variation des Vampirglaubens ist im alten rumänischen und albanischen Volksglauben zu finden; der Strigoi. Das Wort ist lateinischen Ursprungs, wo strix so viel wie „Hexe“ bedeutet. Strigoi sind im Gegensatz zu Upir und den griechischen Vampiren, den Wrukolakas, ausschließlich menschliche und nicht dämonische Seelen, die von den Toten zurückgekehrt sind. Strigoi werden außerdem noch in zwei Kategorien aufgeteilt: in strigoi morți und strigoi vii. Erstere sind Untote, Letztere sind bereits zu Lebzeiten verfluchte Menschen, die nach ihrem Tod erst zu Strigoi werden müssen. Dies geschieht durch Abstammung von einem strigoi mort oder, seltener, durch schwere begangene Sünden der Mutter. Als Zeichen für einen solchen Fluch werden anatomische Abweichungen gedeutet, wie etwa schwanzähnliche Rückgratfortsätze oder am Kopf angewachsene Teile der Fruchtblase, die im rumänischen Volksmund caul genannt werden.
Strigoi besuchen dem Glauben nach Verwandten eines Toten und wollen sie teilweise zu ihnen mitnehmen. Um eine Grenze zwischen dem Reich der Toten und der Lebenden zu errichten, werden bei Beerdigungen Spindeln mit Garn um das Grab gesteckt und angezündet. Oft werden Seife, Rasierer und Spiegel als Grabbeigaben ins Grab gelegt, damit der Tote keinen Grund hat, wieder in das Reich der Lebenden zu kommen und als Strigoi aufzutreten. Teilweise wird Toten ein glühendes Eisen in das Herz gerammt. Das soll verhindern, dass der Tote zum Strigoi wird. In seltenen Fällen suchen Strigoi die Verwandten auf, um sie erkranken zu lassen oder zu töten.
Jedoch gibt es nicht nur in Osteuropa den Vampirglauben. Es lassen sich Wesen, die Menschen entweder die Lebensenergie oder Blut aussagen, auch in anderen Kulturen finden. So gibt es im chinesischen den Jiang Shi, im schottischen die Baobhan-Sith, im philippinischen den Aswang und ghanaischen den Asanbosam. Teilweise vermischen sich bei diesen Monstern die Vorstellungen von Vampiren, Werwölfen, Ghulen und Zombies. Trotzdem bleibt immer das Element von Toten, die wiederauferstehen und dabei nicht verwest sind.
Verbreitung der Vampire in Europa
Vor allem im 18. Jahrhundert wurden viele Vampirfälle gemeldet, überwiegend aus Dörfern in Südosteuropa. Zwischen 1718 und 1732 wurden aus osteuropäischen Dörfern regelrechte Vampirepidemien gemeldet. Eine der ersten und bekanntesten Meldungen ist von 1724/25 und betrifft das Dorf Kisolova im östlichen Zentralserbien. Der Beamte Frombald wurde mit der Klärung der Vampirfälle beauftragt. Sein Bericht wurde am 21. Juli 1725 in der österreichischen Staatszeitung veröffentlicht. Frombald beschrieb darin, was er in Kisolova erlebt hat. In diesem Dorf trat ohne ersichtlichen Grund ein vermehrtes Sterben der Bewohner auf; so verstarben innerhalb von acht Tagen neun Personen verschiedenen Alters nach eintägiger, angeblich bereits ausgestandener Krankheit. Dafür wurde Peter Plogojowitz (eigentlich Blagojević) verantwortlich gemacht, der zehn Wochen zuvor gestorben war. Auf dem Totenbett sagten alle Erkrankten aus, sie seien im Schlaf von Plogojowitz gewürgt worden, was später als die Handlung eines Vampirs gedeutet wurde. Das Grab von Plogojowitz wurde geöffnet und man fand die Leiche angeblich im Zustand eines Vampirs: Sie war noch recht unverwest, hatte eine gesunder Teint und strömte kaum Verwesungsgeruch aus. Außerdem waren Haut, Haare und Nägel nachgewachsen, nachdem sich die ursprüngliche Haut und die Nägel abgeschält hatten. An den Körperöffnungen, wie den Mund, fand man frisches Blut, das man für Blut der Opfer hielt. Die Dorfbevölkerung beschloss deshalb, den Leichnam zu pfählen und anschließend zu verbrennen.
Die Meldung erregte sehr viel Aufsehen, der Vampirglaube in Osteuropa geriet im deutschsprachigen Raum aber schnell wieder in Vergessenheit. Meistens wurden in die betroffenen Dörfer Mediziner oder Geistliche gesandt, um die Vampirfälle aufzuklären. Diese exhumierten die vermeintlichen Vampire und schrieben – oftmals ausführliche – Berichte über die Plage. Außerdem sorgten sie dafür, dass alle suspekt erscheinenden Leichen enthauptet und verbrannt wurden. Ab 1732 wurden die zahlreichen Vampirberichte unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet und vor allem wissenschaftlich und medizinisch untersucht.
In Deutschland ist der Begriff des „Vampirs“ seit ca. 1720, also seit den ersten Berichten über die so genannten „serbischen Vampire“ belegt. Im deutschsprachigen Raum ist der Vampirglaube in seiner reinen Form nicht nachgewiesen, obwohl es zahlreiche Hinweise gibt, beispielsweise parallele Glaubensvorstellungen und Maßnahmen, die gegen einen Wiedergänger ergriffen werden konnten. Ein Beispiel wäre dafür sicher der Nachtzehrer, welcher den Toten die Lebensenergie aussaugt.
Neben diesen Berichten wurde der Vampir durch die Medien richtig bekannt. Bücher, wie „Dracula“ von Abraham „Bram“ Stoker (1897), „Carmilla“ von Joseph Sheridan Le Fanu (1872) oder John Polidoris “The Vampyre” (1819) prägen unsere heutige Vorstellung von Vampiren als der böse Verführer.
Was mich an Vampiren fasziniert
Wie ihr vielleicht nun gelesen habt, ist der Vampirmythos vielfältiger als es den Anschein hat – und genau das fasziniert mich daran. Es gibt nicht den einen Vampir, sondern verschiedene Arten, die regional geprägt sind. Der Vampir wird damit zu einem Mythos, der kulturübergreifend ist.
Für mich hat er, wenn ich über ihn in seiner ursprünglichen Form nachdenke, immer ein Gruselmoment – gerade, wenn ich mir auch die Lebensverhältnisse im Osteuropa des 18. und 19. Jahrhunderts ausmale. Aus diesem Grund recherchiere ich immer wieder über die älteren Vampirgeschichten und freue mich jedes Mal, wenn ich ein Buch finde, was eine besondere Interpretation des Vampirs beinhaltet. Das Thema ist für mich noch nicht ausgeschöpft und birgt viele verschiedene Möglichkeiten.