Eine psychologische Abhandlung über Notwendigkeit und Überfluss unseres Konsumverhaltens.
Wir konsumieren uns zu Tode. Wir kaufen, um zu kaufen, nicht um zu nutzen und zu benutzen. Wir kaufen, um eine Illusion von Sein zu schaffen, häufen dabei Gegenstände an, ohne eine Erfüllung zu finden. Warum tun wir das überhaupt? Warum hören wir nicht damit auf?
Ganz einfach, weil Konsumieren leichter ist, als wirklich zu leben, zu fühlen und zu empfinden und ganz einfach: weil wir uns durch das Konsumieren eine Illusion des perfekten Lebens kaufen. Dabei werden wir jedoch zu Zuschauern unseres Lebens und so vergessen wir selbst zu leben?
Konsum als eine Form der Selbstverletzung
Meine These ist, dass wir uns durch übermäßigen Konsum, durch Konsum als Selbstzweck selbst schaden. Es handelt sich um eine Ersatzbefriedigung. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass übertriebener Konsum eine Form der Selbstverletzung ist.
Ersatzbefriedigungen haben häufig den Zweck, psychische Defizite und nicht erfüllte Bedürfnisse zu mildern und zu überdecken. Tatsächlich findet hier eine Verdrängung der eigentlichen Bedürfnisse statt, die häufig komplexer Natur und schwieriger zu lösen sind. Manchmal ist es auch schmerzhaft, sich mit den eigentlichen, verdrängten Bedürfnissen auseinander zu setzen. Da ist es leichter, sich abzulenken und durch Ersatzbefriedigung in der Illusion zu wiegen, unsere Welt sei in Ordnung. Ersatzbefriedigung kann im Essen, in Alkohol, in Drogenkonsum, im Spiel oder eben in übermäßigem Konsum gesucht werden.
Tatsächlich ist es manchmal auch gut und richtig, sich über Verletzungen, Kränkungen und verdrängte Bedürfnisse hinweg zu trösten. Manchmal ist der Schmerz zu groß und man braucht seine Kraft für andere Dinge. Wenn man sich bei Zeiten wieder dem eigentlichen Problem zuwendet, ist das ja auch kein Problem.
Problematisch wird es dann, wenn die Ersatzbefriedigung übermäßig wird und wir uns dadurch selbst schaden. Dann wird sie zu einer Form der Selbstverletzung. Bei Alkohol und Drogenkonsum führt dies in die Sucht und hat verheerende gesundheitliche und psychische Folgen. Auch unser Konsum hat inzwischen solche Ausmaße angenommen, dass er nicht mehr gesund ist. Besorgniserregend ist die steigende Anzahl an von Kaufsucht Betroffenen, die inzwischen als psychische Erkrankung anerkannt ist.
Kaufsucht: Konsum wird zum Lebensinhalt
Als Menschen haben wir das Bedürfnis, uns selbst zu finden und auch uns selbst darzustellen. Wir haben auch das Bedürfnis mit der Welt in Kontakt und in Austausch zu treten. Werbung und Marketing gaukeln uns vor, durch den Konsum von Produkten genau dies erreichen zu können: uns selbst zu finden und neu zu erfinden. Durch Konsum jemand zu sein, etwas darzustellen. Und gleichsam nicht nur ein Produkt, sondern ein Gefühl, einen Lebensstil zu konsumieren.
Doch dies ist nichts als Täuschung. Die Träume, Bedürfnisse und Wünsche, die erweckt werden, können durch einen Gegenstand nicht wirklich befriedigt werden. Für einen kurzen Moment wähnen wir uns im Glauben, unser Ziel erreicht zu haben, doch schon kurz nach der Kaufhandlung ist das Gefühl schal, der Gegenstand nicht mehr Sinnbild und Verkörperung von Wünschen, sondern nur noch ein Ding. Wir versuchen die Lücke, die im Inneren entsteht schon bald wieder durch neuen Konsum zu befriedigen.
Bei der Kaufsucht hat der Betroffene nur im Moment des Konsumierens das Gefühl, vom Gegenüber (dem Verkäufer) wahrgenommen und ernstgenommen zu werden. Durch das Erwerben des Gegenstandes erlebt er die Illusion einer Steigerung seines Selbstwerts.
Er hat beim Kauf also das Gefühl eines Resonanzerlebnisses. Das heißt, für einen Moment hat er das Empfinden, durch sein Handeln in einen wechselseitigen Austausch mit der Welt zu treten, wodurch seinem Handeln ein Sinn zugeschrieben wird. Er selbst tritt also in Kontakt und Austausch mit dem Gegenüber, wird als Mensch angenommen und durch das erworbene Produkt von seinen Selbstzweifeln erlöst.
Aber nur für einen kurzen Moment: Danach setzen Selbstzweifel und das schlechte Gewissen erneut ein, weswegen die Kaufhandlung schon bald wiederholt werden muss. Denn der Süchtige erlebt diese Handlung als einzigen Ausweg aus Einsamkeit, verletzten Selbstwert und Sinnentleerung. – Ein verheerender Teufelskreis, der oftmals zur völligen Zerstörung der finanziellen Sicherheiten und auch familiärer und partnerschaftlicher Bande führt.
Von der Notwendigkeit des Konsums
Doch wie ausbrechen aus diesem Teufelskreis? Ganz ohne zu konsumieren geht es nicht. Konsum ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Wir müssen Waren kaufen, um zu überleben. Hierzu gehören nicht nur Wasser, Kleidung und Nahrungsmittel als existentielle Güter.
Der amerikanische Sozialpsychologe Abraham Maslow stellt in seiner Bedürfnispyramide eine Hierarchie der menschlichen Bedürfnisse auf. Aufbauend auf die zum Überleben notwendigen Grundbedürfnisse, stellt er die Befriedigung psychischer Sicherheiten und sozialer Bedürfnisse. Dies sind Aspekte des menschlichen Lebens, die nicht käuflich zu erwerben sind, aber für ein gelingendes Leben und Lebensglück vorausgesetzt sind.
Wir brauchen nicht nur überlebensnotwendige Güter, sondern eben auch psychische Sicherheit und Stabilität, als soziale Wesen benötigen wir außerdem ein soziales Netz aus Freunden, Bekannten, Partner und Familie, das uns trägt. Dies sind die Dinge, welche über das reine Überleben hinaus unser Menschsein ausmachen. Sie bestimmen, wer wir sind und wie wir interagieren. Versuchen Menschen ihre Psyche durch Suchtmittel zu stabilisieren, erleiden sie hier Mangel. Dasselbe gilt für die Kaufsucht, hinter der oft das Bestreben steht, soziale Geltung und Image durch Konsum zu erlangen.
Wie konsumiere ich richtig? Vom sinnvollen Konsum.
Es gibt jedoch auch sinnvolles Konsumieren. Neben existentiellen Konsum, gibt es Dinge, die wir emotional mit einem Menschen oder einem Erlebnis in Verbindung bringen. Meistens sind das keine Dinge, die wir hier konsumieren, sondern Konsumhandlungen, die unseren Erlebnishorizont erweitern, wie beispielsweise eine Urlaubsreise oder ein Konzertbesuch.
Dann kann der Gegenstand, den wir durch diesen Konsum erworben haben ein Stein sein, den man bei einem schönen Strandspaziergang aufgesammelt hat, eine Erinnerung an einen gemeinsamen Abend mit Freunden oder ein Schal, der einem von seinem Liebsten geschenkt wurde.
Hier wird dem materiellen Produkt eine symbolische Bedeutung zugeschrieben, weswegen man hier von primär symbolischen Gütern spricht. In extremer Form auch von Fetischismus, in welchem ein Objekt Stellvertrerfunktion einnimmt und sinnbildlich für eine Person, ein Gefühl oder eine Erinnerung steht.
Dies Form des Konsums als tatsächliche und nicht illusorische Sinngebung kann ebenfalls in Bezug zu Maslows Bedürfnispyramide gebracht werden. Um ein gelingendes Leben zu gewährleisten, stellt Maslow in Form einer Sinngebung ästhetische Bedürfnisse und spirituelle Bedürfnisse an die Spitze seiner Pyramide. Ästhetische Bedürfnisse sind ebenfalls konsumierbar: in Form von Büchern, Kunstgenuss, Musik. Hier greift denke ich eine Form des Konsums, in welcher das Konsumprodukt nicht mehr zum Inhalt wird, sondern nur noch Träger ist bzw. Mittel, um den eigentlichen Kern zu erreichen.
Das Ding steht nicht mehr im Vordergrund steht, sondern es wird zum Mittel wird, um mit sich selbst und der Welt in Kontakt zu treten.