Depressionen | Cristian Palmen / Unsplash

Was genau ist eigentlich Depression? | Tabuschleife

Morgens aufstehen, arbeiten gehen, Freund*innen treffen. Was für die einen Menschen ganz normal ist, das kann für andere einen immensen Kampf bedeuten. Und zwar für Menschen, die an Depressionen erkrankt sind. Doch was genau ist diese Krankheit eigentlich? Und wie wird in unserer Gesellschaft damit umgegangen?

Die „klassische“ Depression gibt es nicht

Wichtig, um das Krankheitsbild der Depression zu verstehen, ist es, zwischen den unterschiedlichen Diagnosen zu unterschieden und zu begreifen, dass es die eine klassische Depression mit eindeutigem Krankheitsverlauf nicht gibt. Stattdessen gibt es mehrere Unterformen mit verschiedenen Merkmalen und schwankender Intensität. Diese zählen im ICD, der internationalen statistischen Klassifikation aller Krankheiten, zu den affektiven Störungen und sind genauestens definiert. Unter anderem werden dort unterschiedliche depressive Episoden genannt sowie auch rezidivierende depressive Störungen. Letztere kennzeichnen sich durch das wiederholte Auftreten depressiver Episoden aus. Nicht vergessen werden sollten außerdem die vielfältigen potenziellen Auslöser von Depressionen. Neben psychischen Belastungen können auch biologische oder neurologische Probleme dazu beitragen. Aufgrund dessen ist bei Depressionsverdacht ein Blutbild empfehlenswert, da dort potenzielle Mangelerscheinungen erkennbar sind, welche auf Depressionen hindeuten könnten. Dies ist beispielsweise bei Eisenmangel oder zu wenig Vitamin D der Fall.

Depressionen sind selten allein

Dringend beachtet werden sollte außerdem der Punkt, dass Depressionen häufig gepaart mit anderen psychischen Erkrankungen auftreten oder Begleiterscheinung einer weiteren Erkrankung sind. So durchleben von einer bipolaren Störung betroffene Menschen auch regelmäßig depressive Episoden, welche dann jedoch immer wieder von manischen Phasen abgelöst werden, was die Bipolarität zur Hauptdiagnose macht.

Anderweitige Erkrankungen, welche häufig gemeinsam mit Depressionen auftreten sind beispielsweise Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder Schlafstörungen sowie viele weitere. Bei einer therapeutischen Behandlung ist eine exakte Diagnostik dementsprechend wichtig, um alle Krankheitsbilder zu erkennen und behandeln zu können.

Fließende Grenzen

Der Grad zwischen einer schlechten Phase, einer Verstimmung und einer tatsächlichen Depression ist auch für Betroffene selbst unter Umständen nur schwer zu erkennen. Aufgrund dessen gibt es explizite Diagnosemerkmale, wie beispielsweise die anhaltende Länge der Symptome, um Fachkräften das Erkennen einer vorliegenden Depression leichter zu machen.

Prinzipiell gilt für betroffene oder potentiell betroffene Menschen, dass es immer besser ist, sich so früh wie möglich professioneller Hilfe in Form psychotherapeutischer Unterstützung und gegebenenfalls auch psychiatrischer Medikation zu unterziehen.

Dies ist in unserem Gesundheitssystem jedoch leichter gesagt als getan.

Das Problem mit der Hilfe

Generelle Problematiken und Fehler innerhalb unserer Krankenversorgung wirken sich auch auf von Depressionen betroffene Menschen stark aus. So ist das flächendeckende Vorhandensein von kassenärztlich zugelassenen Psychotherapeut*innen gerade in ländlicheren Umgebungen eine weit entfernte Utopie. Doch selbst in größeren Städten gibt es teils jahrelange Wartelisten, weil die wenigen kassenärztlichen Therapeut*innen absolut überlastet sind mit Anfragen und den Bedarf schon lange nicht mehr stillen können. Menschen mit Privatversicherungen oder diejenigen, welche ein höheres finanzielles Vermögen haben, sind hier deutlich im Vorteil. Zu einen müssen sie nicht auf einen Platz bei den spärlich vorhandenen kassenärztlich zugelassenen Therapeut*innen hoffen und komplizierte Beantragungen bewältigen, sondern können sich auch bei Privattherapeut*innen Hilfe holen. Zum anderen stehen ihnen auch generell alternative, selbstfinanzierte Therapieformen, wie Kunsttherapie oder Musiktherapie offen, welche die Krankenkassen in den allermeisten Fällen ohnehin nicht bezahlen, im Gegensatz zu den klassischen Formaten der Gesprächstherapie.

Somit werden finanzielle Mittel zum Maßstab für die Hilfen, welche von Depressionen betroffenen Menschen bekommen oder auch nicht.

Hochfunktionale Depressionen

Neben denjenigen Menschen, welche sich darum bemühen, Hilfe zu bekommen, gibt es jedoch auch noch diejenigen, welche gar nicht einsehen, an Depressionen zu leiden. Dies kann unterschiedliche Beweggründe haben. Zum einen macht der permanente Vergleichs- und Wettbewerbsdruck unserer Gesellschaft auch vor psychischen Erkrankungen nicht halt, viele Menschen haben das Gefühl, anderen ginge es noch viel schlechter als ihnen selbst und sie müssten erst „richtig“ krank werden, ehe sie Hilfe verdient hätten. Zum anderen kann es auch sein, dass eine Depression sich außerhalb der klassischen Symptome wie Erschöpfung oder Müdigkeit zeigt, wie es beispielswiese bei der so genannten hochfunktionalen Depression der Fall ist. Es gibt depressive Menschen, für die es ein Kampf ist, morgens aufzustehen und zu frühstücken, weil es ihnen an Kraft und Energie fehlt. Es gibt allerdings auch diejenigen, welche einen Vollzeitjob haben, Freunde, Familie, Hobbies – und trotzdem depressiv sind. Gerade diejenigen sind es, welche oft durch das Raster fallen, sich ihre Depressionen nicht eingestehen wollen oder aber aufgrund mangelnder Symptome abgelehnt werden, wollen sie sich doch einmal Hilfe holen.

Wie kann man unterstützen?

Was oft eher kontraproduktiv ist, sind die meist gut gemeinten Ratschläge, mit welchen depressive Menschen zur Genüge konfrontiert werden. Dabei lässt sich eine handfeste Depression in den allermeisten Fällen weder dadurch besiegen, „einfach mal mehr an die frische Luft zu gehen.“, noch „sich ein neues Hobby zu suchen“ oder „sich einfach mal aufzuraffen.“ Was stattdessen mehr hilft, das ist einfach geduldig sein, zuhören und bei der Suche nach Hilfe zu unterstützen. 

Neben dieser individualisierten Form des Beistands ist es jedoch auch elementar, die strukturelle Ebene nicht zu vernachlässigen. Sich den eigenen Möglichkeiten entsprechend für eine bessere flächendeckende psychotherapeutische Versorgung einzusetzen, beispielsweise durch Demonstrationen, Petitionen oder Aufklärungsarbeit ist ein möglicher Ansatzpunkt hierfür. Denn nur so kann langfristig betrachtet nicht allein depressiven, sondern von allen Arten psychischer Erkrankungen betroffenen Menschen geholfen werden.

Wie sich Menschen mit Depressionen konkret fühlen, könnt ihr in unserem Interview lesen, wo eine Betroffene berichtet.

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