Saskia und Charlie sind zwei Menschen mit der gleichen Diagnose: Depressionen. Das Depressionen aber nicht gleich Depressionen sind, wird im Interview mit den beiden schnell deutlich. Sie berichten von ganz individuellen Schwierigkeiten, Symptomen und ihrem jeweiligen Krankheitsverlauf. So bekommst du einen spannenden und berührenden Einblick in das Leben mit Depressionen – und wie die zwei außergewöhnlichen Menschen dennoch kämpfen und ihren Alltag meistern. In Teil 2 unseres Interviews erfährst du, wie es sich mit Depressionen im Alltag lebt und mit welchen Vorurteilen man konfrontiert wird.
Depressionen im Alltag
Wo in deinem Leben merkst du aktuell, dass die Depressionen dich am meisten einschränken?
Saskia: Mich schränkt es am meisten in meinem Selbstbild ein. Beispielsweise schreibe ich wahnsinnig gerne, aber sobald ich etwas anfange, dann sagt mir meine innere Stimme, dass ich nicht gut genug bin, sodass ich schnell aufgebe. Auch verstärkt meine Depression meine anderen Krankheiten und sagt mir immer, dass ich nicht gut genug bin. Das ist wahnsinnig schwer da herauszukommen.
Charlie: Am wochenlang Aufgaben und Dinge vor mir herschieben, wie zum Beispiel Wäsche waschen oder Geschirr aus dem Zimmer in die Küche räumen.
Was würdest du tun, wenn du eine Woche lang ganz gesund ohne Depressionen leben könntest?
Saskia: Die Frage ist gar nicht so leicht, aber ich glaube, dass ich mir dann endlich etwas trauen würde. Ich würde gerne dann die Woche in Japan verbringen. Ohne die Depressionen habe ich vielleicht den Mut mir diesen Traum endlich zu erfüllen und könnte freier, ohne diese Einschränkung, die Zeit dort genießen. Ich hoffe aber, dass ich es mit Depression schaffe, mir diesen Traum zu erfüllen.
Charlie: Ich kanns mir ehrlich gesagt nicht mal wirklich vorstellen, wie es ist, ganz ohne Depressionen zu leben und zu funktionieren.
Diskriminierung psychisch kranker Menschen
Hast du bereits Diskriminierung aufgrund deiner Depressionen erlebt?
Saskia: Persönlich habe ich das noch nicht erlebt, aber die Angst vor den Vorurteilen begleitet mich jeden Tag. Ich kenne es, wenn die Menschen denken, dass Menschen mit Depressionen nicht so leistungsfähig sind. Das macht mir Angst, weil ich ohne meine Krankheit und nur als Person gesehen werden will.
Deshalb überspiele ich die Depressionen auch und ist es nicht eigentlich auch traurig, dass wir uns verstecken müssen, weil wir Angst vor den Reaktionen der anderen haben? Daran sollte sich auf jeden Fall etwas ändern! Meiner Meinung nach sollten alle psychischen Krankheiten mehr anerkannt werden.
Charlie: Von meiner alten Chefin wurde ich kurz bevor ich aufgehört habe, dort zu arbeiten, mal eine halbe Stunde am Stück fertig gemacht. Währenddessen habe ich sogar angefangen zu heulen und ihr war das einfach komplett egal. Ich durfte mir von ihr auch anhören, ich würde es nie zu irgendwas bringen, wäre total unzuverlässig, zu nichts nutze und überhaupt zu nichts fähig.
Kennst du Vorurteile über Depressionen/depressive Menschen? Welche stören dich am meisten?
Saskia: Es gibt einige Vorurteile. Mich stören am meisten solche, die sagen, dass depressive Menschen faul sind oder sich einfach mal „anstrengen“ sollten. „Lach doch mal!“ ist einer dieser Sätze, die ich hasse. Wenn mir nicht danach ist, dann kann ich nicht lachen. Damit hat es sich. Auch wenn Menschen daherreden und sagen, dass sie so depressiv seien, wenn sie einfach mal traurig sind, finde ich schlecht. Damit wird die Krankheit einfach heruntergemacht. Ich bin nicht einfach nur mal traurig. Meine Krankheit ist vielfältiger und ich möchte damit ernst genommen werden.
Charlie: Dass sie faul sind und keine Lust auf gar nichts haben. Ich finde das eine furchtbare Ansicht, in erster Linie deshalb, weil es schlichtweg gar nicht stimmt.
Was können Mitmenschen für Depressive tun?
Was kann deine Umwelt machen, um dich zu unterstützen?
Saskia: Da gibt es zwei Wege. Für mein näheres Umfeld würde ich mir wünschen, dass sie mich einfach fragen, wie sie reagieren sollen, wenn ich einen Weinkrampf habe oder traurig bin. Manchmal ist es nicht gut, wenn man mich tröstet, weil es alles nur verstärkt. Deshalb wäre es gut, wenn mein Umfeld einfach wüsste, wie es sich zu verhalten hat.
Für die Gesellschaft würde ich mir wünschen, dass sie beginnt offener die Krankheit zu akzeptieren, sodass ich mich auch wohlfühlen und offen über meine Krankheit reden kann – ohne Angst vor Konsequenzen zu haben.
Charlie: Unterstützend sein, nicht unter Druck setzen, offen sein, um sich selbst weiter zu entwickeln und neues zu lernen. Außerdem versuchen, psychische Krankheiten zu verstehen und sich informieren, statt psychisch kranke Leute fertig zu machen oder auszuschließen
Welchen Satz würdest du gerne anderen depressiven Menschen mit auf den Weg geben?
Saskia: „Du bist nicht allein und du bist in Ordnung, so wie du bist“ – Das ist für mich das wichtigste, weil man sich oft ausgeschlossen fühlt und versucht einem Ideal nachzurennen, dass es gar nicht gibt und was uns nur vorgespielt ist. Jeder ist in Ordnung wie er oder sie ist und es geht dir nicht alleine schlecht.
Charlie: Auf jeden Fall, wenn man die Chance hat zum Therapeuten gehen. Und sich mit Leuten umgeben, die eine positive Wirkung auf einen haben. Man ist als Mensch nicht weniger wert oder weniger liebenswert, nur weil man sich grade vielleicht echt scheiße fühlt.