Nie zuvor lebten so viele Ausländer wie heute in Deutschland. Überall werden die verschiedensten Sprachen gesprochen und ein Leben ohne die köstlichen ausländischen Speisen ist kaum noch vorstellbar. Laut aktueller Statistik befinden sich derzeit 10,6 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. Davon sind 1,4 Millionen Türken. Doch zwischen Deutschen und Türken gibt es viele Vorurteile. Welche sind das und wie kann man sie beenden?
Überall wird türkisch gesprochen, überall gibt es Dönerläden und die Meisten sind bereits mit der türkischen Kultur vertraut. Doch durch die politischen Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Deutschland wurden in der Gesellschaft plötzlich wieder Fragen aufgeworfen, wodurch das Verhältnis zu kippen scheint und Hass entsteht. Wie sieht die Lage in Deutschland aus? Warum sind die Türken hier? Sind sie integriert? Können sie Deutsch? Oder besser: Wählen alle Erdogan? Dies sind zumeist Vorurteile, die sich in unsere Köpfe eingeschlichen, eingenistet und eingebrannt haben und womit wir uns gegenseitig verletzten und auf Konflikte stoßen. Doch wie können wir lernen mehr Verständnis füreinander mitzubringen und den Vorurteilen ein Ende setzen?
Es ist nicht einfach zwischen zwei Kulturen aufzuwachsen, die unterschiedlicher nicht sein können. Dies musste ich bereits im Kindesalter lernen, da ich nicht verstanden habe, warum ich anders bin. Obwohl ich zweisprachig aufgewachsen bin, lag der Fokus auf Deutsch, damit ich mich früh integrieren konnte. Doch immer wieder wurde mir gesagt, dass ich anders aussehe, so dunkle Haare und Augen habe. Kinder sind ehrlich, sind aber verletzend. Als ich älter wurde, sagte man nichts mehr über mein Erscheinungsbild, sondern wunderte sich darüber, warum ich akzentfrei Deutsch spreche und lobte mich dafür. Warum ich problemlos Deutsch spreche? Na, weil ich hier Zuhause bin! Heute wissen die wenigsten Deutschen wieso die Türken vor über einem halben Jahrhundert nachgekommen Deutschland sind und was sie hier überhaupt zu suchen hatten.
Die Geschichte der Gastarbeiter
In den 1950er Jahren kam es zu einem Wirtschaftswachstum in Deutschland, weshalb die Bundesregierung im Ausland nach Arbeitskräften anzuwerben begann, da es einen großen Arbeitskräftemangel gab. 1961 kam es zu einem Abkommen mit der Türkei und in den Jahren darauf mit weiteren Ländern. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden angeworben, um den Arbeitsbedarf zu decken. Dies waren Berufe, die kaum Qualifikationsansprüche benötigten, jedoch schwere körperliche Arbeit herausforderte. Die Anwerbung war nur ein temporärer Zustand, der keineswegs zu einer dauerhaften Niederlassung führen sollte. Die Gastarbeiter kamen deshalb ohne ihre Familien und hatten die Absicht, wieder in die Heimat zu kehren, weshalb die Integration nicht notwendig war. Nach dem zunehmend längeren Aufenthalt wurden schließlich auch die Familien nachgeholt. 1973 kam es zu einem Anwerbestopp und die ausländischen Arbeitskräfte standen vor der Entscheidung, wieder in die Heimat zurückzukehren oder sich auf einen langfristigen Aufenthalt einzustellen, trotzdem wollten die meisten Türken bald wieder nach Hause. Wie das Wort „Gastarbeiter“ schon ausdrückt, handelt es sich um Gäste, die arbeiten müssen, die letztendlich geblieben sind. Deutschland hat ihnen so gut gefallen, dass sie es sich mit der Rückkehr anders überlegt haben, ihre Familien zu sich geholt haben und bis über drei Generationen hier geblieben sind. Nun gibt es in Deutschland bereits die dritte und sogar vierte Generation der Gastarbeiterfamilien. Die beiden unterschiedlichen Kulturen sind dadurch aufeinander geknallt, womit etwas Neues entstanden ist: Die heutigen Deutschtürken.
Die Deutschtürken
Die heutige dritte Generation sind in Deutschland geboren und aufgewachsen, besitzen sogar die deutsche Staatsangehörigkeit, sind der deutschen Sprache mächtig und streben nach höheren Bildungsabschlüssen. Dennoch haben sie ständig mit Identitätsfragen zu kämpfen, da sie in Deutschland die Ausländer sind und in der Türkei die „Deutschländer“. Die Heimat wird fremd und Deutschland ist das Zuhause, doch fühlt man sich nirgendwo wirklich willkommen. Man stößt als Deutschtürke immer wieder im Alltag auf Stolpersteine, die nicht einfach zu bewältigen sind. Sich beispielsweise für einen Job oder eine Wohnung mit türkischem Namen zu bewerben wird zur großen Herausforderung und führt manchmal zur bitteren Enttäuschung.
Obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, stoße ich sogar im Umgang mit den Menschen auf Schwierigkeiten, da man immer wieder in eine Haltung fällt, sich rechtfertigen zu müssen. Wieso feiert ihr kein Weihnachten? Wieso isst ihr kein Schweinefleisch? Spricht deine Familie Deutsch? Wählen alle Türken Erdogan? Und noch viele weitere Fragen. Dies sind Themen, die vermutlich einige Male erklärt wurden, aber immer noch Redebedarf benötigen. Man sollte dies nicht engstirnig betrachten, sondern lernen miteinander umzugehen und neugierig sein, etwas über die andere Kultur lernen zu wollen, ohne jemanden zu verletzten oder abwertend zu sein.
Durch die politischen Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Deutschland, gab es vergangene Jahre immer wieder Konflikte und Unverständnis bei den Deutschen, weshalb ein Großteil der Türken eine Partei wie Erdogans unterstützt und wählt. Es gibt jedoch auch einige Türken, die gegen Erdogan stimmen, was nicht vergessen werden sollte. Auch sollte man den Befürwortern nicht nur mit Vorurteilen begegnen, sondern durch Recherche und Gespräche die Beweggründe verstehen. Die Türkei war lange Zeit eines der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen, jedoch nach den politischen Konflikten beider Länder, gingen die Zahlen immer weiter zurück. Auch das Zusammenleben hat sich daher verschlechtert, weshalb sich immer mehr Deutschtürken unverstanden und unerwünscht fühlen. Bei den letzten Wahlen in Deutschland wählten 13 % der Deutschen die AFD, dass für viel Empörung und Unverständnis gesorgt hat. Ähnlich wie bei den Erdogan-Wählern. Was bedeutet dies nun für unser Zusammenleben?
Wie gehen wir miteinander um?
Für beide Parteien ist das Zusammenleben nicht immer einfach, jedoch sollten wir heute Verständnis, Respekt, Toleranz und vor allem Akzeptanz füreinander mitbringen. In der
Vergangenheit wurden diverse Fehler gemacht, weshalb die Integration noch bei einigen Türken fehlgeschlagen ist. Seit über einem halben Jahrhundert leben die Türken nun in Deutschland und fühlen sich hier Zuhause, doch gibt es heute dennoch Konflikte. Wenn wir in Harmonie leben möchten, dann sollten beide Parteien an sich arbeiten und aufeinander zugehen. Dies ist einfach und schwer zugleich. Es gibt keine ultimative Lösung, die plötzlich alle Konflikte beendet, dennoch liegt es an einem selbst, welche Haltung man einnehmen möchte und was man selbst für ein harmonisches Zusammenleben beitragen möchte.