Wundermittel gegen den Winterblues

Sobald die Tage kürzer werden, trüber, dunkler, ziehen wir uns am liebsten in die warme Höhle unserer Zimmer zurück, kuscheln uns auf dem Sofa mit einer flauschigen Decke, einer Tasse heißem Tee und etwas Süßem ein und zünden ein paar Kerzen an. Reicht das, um uns vor drohender Schwermut zu bewahren?

Sommer in die Bude

Sobald die Tage kürzer werden, ziehen wir uns am liebsten in die warme Höhle unserer Zimmer zurück, kuscheln uns auf dem Sofa mit einer flauschigen Decke, einer Tasse heißem Tee und etwas Süßem ein und zünden ein paar Kerzen an. Wir versuchen, den Sommer im Wohnzimmer zu simulieren: Licht durch die Kerzen, Wärme durch Decke, Wärmflasche und heiße Getränke. Und, um die Stimmung aufzuhellen (was für ein vielsagendes Wort!), ist Schokolade nicht zu unterschätzen: Energie aus Zucker und Fett, sowie diverse natürliche Antidepressiva wie Tryptophan.

Leider reichen diese Mittel nicht aus, um allen über die dunkle Jahreszeit hinwegzuhelfen. Mit dem Winterbeginn werden Depressionen häufiger, auch wer bereits depressive Phasen hatte, fällt im Spätherbst eher wieder in eine Depression zurück. Das mag Veranlagung sein, aber die Dunkelheit und schlechtes Wetter tun ein Übriges. In melancholischer Stimmung verkriecht man sich noch mehr, und sieht noch weniger von den heilenden und schützenden Sonnenstrahlen.
Das Leben, das heute die meisten von uns führen, ist auch nicht gerade hilfreich. Morgens hetzen wir im Dunkeln in die Arbeit, noch gar nicht richtig wach. Dort sitzen wir dann eingesperrt den ganzen Tag, die wenigen Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolkendecke kämpfen, bekommen wir überhaupt nicht mit. Es ist zu kalt und ungemütlich draußen, um in der Mittagspause bibbernd das Brot zu verzehren, das wir mitgebracht haben. Wenn wir auswärts essen, versuchen wir ein möglichst warmes Plätzchen zu finden, natürlich drinnen. Abends ist es dann schon längst wieder dunkel, bevor wir unseren Heimweg antreten, nachdem unsere einzige Lichtquelle der Bildschirm und die Leuchtstoffröhren waren.

Winterblues

Dabei brauchen wir im Winter das Sonnenlicht mehr denn je: einerseits hebt das Licht an sich die Laune. Es ist viel schwerer an einem sonnigen Tag trübsinnig zu werden, als im winterlichen Dunkel. Sobald die Stimmung sich verschlechtert, empfehlen Ärzte ausgedehnte Spaziergänge, um im Freien die vielfache Dosis Licht zu erhalten. Der Lichtmangel, dem wir in Innenräumen besonders im Winter ausgesetzt sind, führt zu einer verstärkten Ausschüttung von Melatonin, dem Hormon welches uns schläfrig macht. Wir werden müde, antriebslos und könnten den ganzen Tag schlafen. Winterschlaf eben auch für den Menschen.

Andererseits wird durch Sonnenlicht auf der Haut Vitamin D gebildet, im Sommer naturgemäß mehr als im Winter. Wie stark die Versorgung mit Vitamin D vom Sonnenlicht abhängt, sieht man an dunkelhäutigen Menschen, die in den Norden ziehen. Sie leiden verstärkt an Vitamin-D-Mangel, da dunklere Haut weniger Sonnenlicht durchlässt. Dies betrifft nicht nur Afrikaner, bereits Menschen aus Südeuropa haben im dunkleren Norden im Winter Schwierigkeiten, genug Vitamin D durch Sonnenlicht zu bilden. Die hellhäutigen Menschen empfohlene halbe Stunde Tageslicht reicht oft nicht aus. Dann verschreibt der Arzt ein Vitamin-D-Präparat, um den Mangel an Sonnenlicht auszugleichen. Üblich ist dies vor allem bei Frauen, die hormonell nach den Wechseljahren stärker zur Osteoporose neigen, die Knochen werden durch den Vitamin-D-Mangel porös und brüchig.

Wie sollen wir aber diese halbe Stunde in unseren vollen Tag stopfen? Früher, als es noch kaum künstliches Licht gab, und die Menschen die wenigen Stunden Tageslicht draußen zur Arbeit nutzten, war es sicher einfacher, an seine Dosis Vitamin D zu kommen. Dafür drohten Erfrierungen an den Zehen. Gibt es nicht einen einfacheren Weg? Wenn man schon Sonnenlicht nicht in Flaschen abfüllen kann, könnte man doch wenigstens versuchen, anders an das Vitamin D zu kommen.

Die Pille fürs Gemüt?

Mittlerweile gilt dieses Vitamin als Wundermittel. Dabei ist es eigentlich kein Vitamin im engeren Sinne, da der Körper es zum Großteil selbst herstellt. Nicht nur bei Knochenschwund wird es als Medikament eingesetzt, auch Erkältungsmittel oder immunsteigernde Nahrungsergänzungen enthalten es als Zusatzstoff. Es gibt Hinweise, dass die Grippesaison durch Vitamin D leichter zu überstehen ist, aber auch gegen verschiedene Krebsarten soll eine Vitamin-D-Prophylaxe helfen.

In vielen Ländern wie den USA und Kanada wird Vitamin D Nahrungsmitteln zugesetzt, um den drohenden Mangel besonders dunkelhäutiger Frauen und Kinder zu beheben. In Deutschland hat sich dies nicht durchgesetzt, wenn auch viele Ärzte schnell mit der Empfehlung bei der Hand sind, wenn sie einen Mangel vermuten. Säuglingen im ersten und Kleinkindern im zweiten Lebensjahr wird es ganzjährig in Tablettenform verabreicht, sicherheitshalber.
Liegt es da nicht nahe, auch im Zusammenhang zwischen dem Mangel an Sonnenlicht und Depressionen einen Bezug zum Mangel an diesem lebenswichtigen Vitamin zu sehen? Die Lichttherapie, die in besonders schweren Fällen von Winterdepression verschrieben wird, ist aufwändig. Der Patient muss für zwei bis vier Wochen täglich eine halbe Stunde unter speziellen Lampen sitzen, die das Sonnenlicht simulieren. Da klingt das Versprechen, mit der simplen Einnahme eines hochdosierten Vitamin-D-Präparates wenigstens vorbeugend gegen die drohende Depression vorzugehen, verlockend.

Das wird einem auch im Netz verschiedentlich nahegelegt. Mittlerweile sind wir es gewöhnt, dass gegen jedes Zipperlein kein Kraut, sondern eine Pille gewachsen ist. Antidepressiva sind nebenwirkungsreich, ihre Einnahme umständlich, und sie müssen vom Arzt verschrieben werden. Vitamin D klingt da wie die deutlich bessere Alternative. Zwar sind die Mittelchen recht teuer, aber rezeptfrei, den Gang zum Arzt könnten wir uns also sparen.

Nur die Ruhe

Leider ist die Wirkung von Vitamin D bei Depressionen noch nicht ganz klar. In den vorhandenen Studien lässt sich methodisch die Wirkung von Vitamin D und Sonnenlicht nicht sauber trennen, zumal die Mechanismen noch nicht vollständig untersucht sind. Selbst wenn bei Depressiven im Winter ein Vitamin-D-Mangel festgestellt wurde, kann daraus noch nicht geschlossen werden, dass dieser für die Depression ursächlich war. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2013 fand zwar statistisch bedeutende Effekte bei schweren klinischen Depressionen, aber kaum eine Auswirkung bei leichteren Formen der Depression.

Schließlich ist auch Vitamin D nicht ganz nebenwirkungsfrei. Eine Überdosierung kann beispielsweise zu Nierenproblemen oder, Ironie des Schicksals, zu Osteoporose führen. Für den Hausgebrauch also eher nicht zu empfehlen. Mit schweren Depressionen ist es sowieso besser, einen Arzt aufzusuchen. Und vorbeugend etwas zu nehmen, dessen Wirkung nicht ganz klar ist – russisches Roulette. Schade, wäre doch so schön gewesen.

Auf nach draußen!

Vielleicht sollten wir uns doch ein Beispiel bei unseren Vorfahren nehmen. Kuscheln und Teetrinken ist zwar schön, aber ein Spaziergang bei Tageslicht ist auch in klirrender Kälte erfrischend. Dann schmeckt die Schokolade umso besser! Also am besten warm anziehen, und raus an die frische Luft. Körperliche Bewegung hilft gegen depressive Stimmungen so gut wie manche Pille. Wer traditionsbewusst ist, geht am Besten gleich Holzhacken, dann ist schon mal der gemütliche Abend vor dem Kamin gesichert. Die modernere Variante wäre Winterjoggen in der Mittagspause, zur etwas weiter entfernten Frittenbude – gegen den Hunger.

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