Ying und Yang – Warum Ordnung nicht ohne Unordnung funktioniert

Jeder kennt das: man möchte mit sich selbst im Reinen sein. Dies lässt sich durch innere Ruhe und Ordnung schaffen. Auch unsere Autorin Saskia Dreßler verspürt manchmal diesen Wunsch und sie hat einen Tipp: Versucht es mal mit Unordnung! Hä, das kann nicht sein? Überzeugt euch selbst!

Im Gleichklang mit sich selbst leben. Eine innere Ruhe zu haben. Eine innere Ordnung. Dies ist manchmal mein Wunsch – doch nicht meiner allein. Einfach, wenn ich nur im Internet nach „mentaler Ordnung“ suche, bekomme ich tausende von Antworten geliefert. Oftmals sind es Coaches, die Tipps geben wollen, wie wir unser Leben besser leben können oder die ihre Seminare und Dienstleistungen (alle insgesamt nicht billig) anbieten. Viele verfolgen den Ansatz, dass nur die völlige Akzeptanz und der Einklang mit sich selbst zur Ruhe führt. Erreichen kann man diesen Weg beispielsweise auch durch Aufräumen, denn – so wird argumentiert – ein aufgeräumtes Leben verhilft zu einer aufgeräumten Seele. Doch ist das der einzige Weg zur inneren Ruhe?

Nein. Ich bin überzeugt, dass dies nicht der einzige Weg ist. Mein Vorschlag: orientieren wir uns doch alle mal an Ying und Yang. Also dem schwarz-weißen Kreis. Das was ja jeder kennt irgendwie. Doch was genau ist Ying und Yang und wie kann es uns zur inneren Ruhe verhelfen?

Ein anderes Ordnungsprinzip

Zuerst einmal sind Ying und Yang zwei Begriffe der chinesischen Philosophie, vor allem des Daoismus. Sie tauchen das erste Mal etwa im 16. Jahrhundert vor Christus auf und zwar als eingeritzte Zeichen in Orakelknochen. Erstmal inhaltlich wird die Bedeutung von Ying und Yang im Yijing („Buch der Wandlungen“) dargestellt. Hier wird Ying und Yang als „Gegensätze“ bezeichnet, die in einer wechselseitigen Bezogenheit als Gesamtheit einen Kreislauf bilden. Damit können Prozesse der Wiederkehr und gegenseitigen Begrenzung erklärt werden. Ethisch hat die Vorstellung von Ying und Yang die Vorstellung einer Ethik des Mittelmaßes – also ähnlich, wie es bei Aristoteles beschrieben wird. So darf keine Seite überwiegen, sondern es soll einen Ausgleich zwischen ihnen geben. Niemand sollte nur sparen, denn dann wäre er geizig. Aber auch zu freigiebig zu sein ist ebenso schlecht, weil dann der Großzügige schnell seinen ganzen Besitz verliert. Deshalb soll gegeben und gespart werden, wie es das Maß verlangt.

In der chinesischen Philosophie geht die Vorstellung von Ying und Yang soweit, dass die Ordnung nur mit Chaos vorstellbar und für immer verbunden ist. Denn ohne Chaos kann es keine Ordnung geben und anders herum. Nur wenn das Chaos geherrscht hat, kann Ordnung geschafft werden. Dies vereint sich auch in den Schöpfungsmythen der Chinesin, in welchen ein Drache zwar Chaos und Zerstörung bringt, er aber gleichzeitig auch der höchste Ordnungshüter des Himmels ist.

Ordnung und Unordnung gehören zusammen

Diese Vorstellung mag für westliche Gemüter erst einmal verwirrend sein, doch lässt sie sich gut, meiner Meinung nach, mit der Frage nach der inneren Ruhe vereinbaren. Denn statt, wie es oft geraten wird, zu versuchen immer mit sich selbst im Einklang zu sein und all seine Fehler zu akzeptieren, sollte wir vielleicht auch mal akzeptieren, dass in unserem Leben es manchmal Chaos und Unordnung gibt. Manchmal läuft nicht alles, wie wir es uns vorstellen. Manchmal können wir unsere Fehler einfach nicht akzeptieren. Manchmal mögen wir uns einfach nicht, wie wir sind.

Dies ist genau der Worst-Case bei allen Ansätzen von Coaches, von welchen ich gelesen habe, denn hier geht es gerade um das Akzeptieren der Fehler, damit man sich freier fühlt. Doch warum sollten wir das? Warum muss ich einen Fehler akzeptieren, den ich einfach nicht in Ordnung finde und an welchen ich aber im Moment nicht arbeiten kann? Deshalb kann ich in einer solchen Situation mich einfach mal an Ying und Yang erinnern: Es gibt im Moment Unordnung und diese ist jetzt nötig, denn wenn ich keine Unordnung in mir hätte, dann würde ich nicht zur Ordnung finden. Wenn man dieser Argumentation folgt, dann werden die kleinen und die großen Fehler nicht zu Problemen, die ich akzeptieren und mit welchen ich leben muss, sondern sie werden zu einer Notwendigkeit, denn ohne diese Fehler könnte ich sie nicht überwinden und mich weiterentwickeln. Wenn ich Ying und Yang so in meinem Alltag einbaue, dann, so scheint es mir, habe ich die Möglichkeit aus allem etwas Positives zu ziehen und gleichzeitig eine Begründung für meine Fehler zu sehen. Sie gehören einfach zu einem Kreislauf, der nötig ist, damit ich mich weiterentwickele. Denn aus diesen Fehlern lerne ich etwas und es entsteht wieder Ordnung. Natürlich muss mir bewusst sein, dass ich niemals immer auf dem Level der Ordnung verweilen werde, sondern automatisch, wie dies in einem Kreislauf so ist, auch wieder Unordnung kommt und aus dieser Ordnung und so weiter…

Für den Einen mag dies ein beunruhigender Gedanke sein, dass er nie am Ende der Leiter ist, aber ich finde dies einen beruhigenden Gedanken, denn damit wird auch deutlich, dass wir nie an einen Stillstand kommen und uns so immer weiter entwickeln können, ohne verzweifeln zu müssen, wenn es mal eben nicht klappt. All meine Überlegungen beruhen zwar nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, aber vielleicht hast Du ja mal Lust es auszuprobieren und die Akzeptanz von Ordnung und Unordnung in dir selbst zu finden. Mir hat dieser Gedanke auf jeden Fall geholfen und ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren!

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